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Wider die Unendlichkeit

Wider die Unendlichkeit

Titel: Wider die Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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ich mich eine Weile zu Ihnen setzen?« fragte Gutierrez und setzte sich. Sein Umhang wirbelte einen kleinen Luftstoß hoch, der Manuel den Geruch des Mannes zuwehte. Ein Teil war Parfüm, ein Teil nicht.
    »Woher wissen Sie, daß ich warte?«
    »Sie sind ein Gewohnheitstier, Manuel. Sie dürfen nicht glauben, Sie blieben völlig unbemerkt.«
    »Gehofft habe ich es schon.«
    Gutierrez nahm von Manuels Anspielung keine Notiz, denn er drehte sich nach links und nach rechts, um einer Kellnerin zu winken. »Trinken Sie etwas mit mir?«
    Manuel hatte seinen geeisten Aufguß fast beendet. Er sah ein, daß es das beste wäre, noch einen zu nehmen und dann irgendwie fortzukommen. Er hatte gelernt, daß man hier eine Einladung nie ablehnte. Bei Parties war es einfach: Man sagte, man würde gerne kommen und konnte später bedauern, daß etwas dazwischengekommen war, das den Besuch verhinderte. Bei einem Zufallstreffen wie diesem gab es allerdings keinen leichten Ausweg. »Sicher.«
    Die Kellnerin kam und Gutierrez bestellte eine Tasse Glühwein. Dann wandte er sich an Manuel, der einen zweiten Aufguß bestellte. »Nein, nein. Bringen Sie ihm einen Rum adopolc.«
    »Rum adopolc. In Ordnung.« Die Kellnerin ging.
    Nach einem Moment bemerkte Gutierrez, daß Manuel keinen Gürtel trug. Manuel war froh, darüber reden zu können, denn einerseits hatte er damit ein Gesprächsthema, andererseits verstand er die ganze Sache immer noch nicht. Als er zu Ende erzählt hatte, sagte Gutierrez: »Sie waren einfach nicht darauf vorbereitet. Beachten Sie die Verlautbarungen des Rats nicht?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Tja, wenn Sie sich auf der Straße ausziehen lassen wollen …«
    »Ich weiß nicht, wie weit sie gehen würden, wenn man sie hochbringt. Also Vorsicht.«
    »Warum steckt die Erde ihre chingado Nase überall rein?«
    »Sie können nicht anders. Das ist Bestandteil der gesellschaftlichen Dynamik. Die Erde ist völlig sozialistisch. Die Erde versteht sich selbst als wissenschaftlich – die erste Gesellschaft, die das tut. Ich werde Ihnen sagen, Manuel, wie ich diese Dinge sehe.«
    Manuel blickte über den ovalen Garten mit den schlanken Bäumen und dem festgebackenen, sandigen Boden. Er war hierher gekommen, um das Licht zu betrachten, hatte sich den ganzen Tag darauf gefreut. Man mußte es ganz besonders aufmerksam betrachten. Jetzt war die Eklipse der Sonne durch den Jupiter gekommen. Sie brachte Bernsteinlicht mit, und er hatte den Übergang verpaßt. Gutierrez fuhr fort.
    »Bislang hat sich noch jede Zivilisation ihrer inneren Widersprüche wegen weiterentwickelt – wegen der Konflikte im Innern, die Wandel erzwangen. Durch seine inneren Widersprüche brachte der Kapitalismus den Sozialismus hervor, ganz unvermeidlich.«
    »Aha.« Er betrachtete das Licht.
    »Die Marxisten glaubten, unter dem Sozialismus würden Entfremdung und Klassenkampf zu Ende sein. Sie mißachteten die Tatsache, daß das dialektische Modell des Wandels niemals ein Ende der Widersprüche oder der Entwicklung vorhergesagt hat. Sozialismus erfordert eine Bürokratie, eine administrative Klasse. Die Administratoren standen vor einem Problem, das der Marxismus nie diskutiert hatte: wie gut der Sozialismus funktioniert, verglichen mit dem Kapitalismus. Was nutzt es, wenn alle genau gleich sind, wenn das bedeutet, daß man arm sein muß? Das letzte Jahrhundert hat uns – oder besser: die Erde – gelehrt, daß der Sozialismus in der Warenproduktion weniger effizient ist als der Kapitalismus.«
    »Aha.«
    »Um den Sozialismus davor zu bewahren, im Schlamm zu versinken, mußten die Bürokraten die Expansion forcieren – hinaus ins Planetensystem. Aber Sozialismus ist eine historische Notwendigkeit, die eintritt, wenn man eine bestimmte Bevölkerungsdichte erreicht. Sobald die Menschen sich ausbreiten …« Er spreizte die Hände. »Die Bevölkerungsdichte in den neuen Welten ist natürlich niedrig. Die Dynamik der Ökonomie treibt sie dazu, individualistische, kapitalistische Maßnahmen zu ergreifen. Das müssen sie, um in unwirtlichen Regionen zu überleben und sich zu entwickeln. Der innere Widerspruch des Sozialismus ist also, daß er expandieren muß, um seine ihm eigene Ineffizienz auszugleichen. Expansion jedoch bringt in den Grenzgebieten Kapitalismus hervor. Eure Siedlung ist wirklich eine kleine, kommunale kapitalistische Einheit. Die gegenseitigen Beziehungen zur Erde werden über einen Markt, nicht durch Verordnungen geregelt.«
    Die

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