Wider die Unendlichkeit
ihr Reichtümer wollt, Jungs, dann müßt ihr woanders hingehen.«
»Besitztümer – Luxusbesitztümer – sind eine Beleidigung – des Kollektivs.«
»Hast du deinen Sweater geerbt?«
»Den?« Manuel blickte an sich herab – er bemerkte nie bewußt, was er morgens anzog – und versuchte, sich zu erinnern.
»Nein.«
»Ererbte Güter – Besitztümer, durch privaten Handel erworben – Handel auf dem Markt – das sind alles Symptome für Übervorteilung.« Der kleine Dunkelhaarige schien vor Energie überzukochen, als er diese Aufzählung herausspie und dabei die Hände ständig schloß und öffnete. »Der Sweater – aus Wolle – sieht mir nach Marktware aus. Eindeutig – Marktprofit. Du hast ihn gekauft – si?«
Manuel trat einen Schritt zurück. Jetzt erinnerte er sich. Der Rat hatte von der Erde schlechte Beurteilungen bekommen, und drei Mitglieder wurden degradiert, zurückversetzt in die arbeitende Kategorie. Formell galt es nicht als Strafmaßnahme, sondern als Reorganisation und natürlicher Umlauf, durch den Arbeiter in den Rat gelangten, aber jeder wußte, es lag daran, daß der Erde das soziometrische Profil der Jupitermonde nicht gefiel. Jetzt, mit drei von der Erde bestätigten Nachrückern, tilgte der Rat die Auswirkungen neokapitalistischer Eingriffe. Um die Kontraste von Glück und Ausbeutung auszugleichen, hatte der Rat jeden Bürger autorisiert, jedes Besitzstück zu fordern, das den Irrtum der Vergangenheit widerspiegelte. Und man konnte es von jedem anderen Bürger verlangen.
»Du willst doch kein Haber sein, hä?« fragte der Große rätselhaft.
»Was ist das?« fragte Manuel zurück, um Zeit zu gewinnen.
»Unberechtigte Habe – von anderen profitieren – sie mit Arbeitsverträgen versklaven – das ist ein Haber – und du siehst aus wie einer.«
»Nein. Den Sweater habe ich rechtmäßig. Das Garn habe ich auf üblichem Wege bekommen, und ich habe ihn selbst gestrickt.«
Er wußte, daß er diese Behauptung beweisen konnte, denn auf seiner letzten Monatsabrechnung hatte er eine Eintragung für Garn. Es war zwar nicht für den Sweater, doch die beiden konnten das nicht wissen. Jedenfalls konnten sie es ihm nicht beweisen. Aber wem beweisen? dachte Manuel, dem jetzt bewußt wurde, daß es keine Behörde gab, an die er sich wenden könnte.
»Hm!« Der Große tat einen Schritt vor, sein Gesicht verhärtete sich. »Das hören wir oft, Freund. Gib uns …«
»Nein – warte!« Der Kleine hielt eine Hand warnend hoch. Er wollte sich nicht so einfach ablenken lassen. Der Rat gab ihnen das Recht, nur einen Gegenstand je Bürger zu fordern.
»Auffällig … zieht das Auge an … helle Farben … sogar Armringe … sieht nach Marktgütern aus. Aber er könnte ihn so entworfen haben – ja, sicher – damit er so aussieht.«
»Versucht uns zu verarschen?«
»Kann sein. Diese Typen – halten sich für clever. Hier – was ist das?«
Manuel bewegte sich nicht, sondern blickte sie nur an. Die Hand des Kleinen fuhr vor und packte seine Gürtelschnalle.
»Kommen wir uns näher?« fragte Manuel sarkastisch.
»Wir kommen zu unserer Pflicht, Bürger. Der Gürtel – Markt, richtig?«
Manuel konnte das Gegenteil nicht beweisen, für die beiden die Bestätigung dafür, daß sie recht hatten. Er hatte ihn tatsächlich auf dem schwarzen Markt – dem einzigen Markt – gekauft, als Bekleidung knapp war. Jeder tat das. Man konnte nicht auf einen Versorgungskommissar von Outsystem Control und die Genehmigung für eine neue Lieferung langer Unterhosen warten, wenn man fror.
»Und wenn ich nein sage?«
»Nun, das prüfen wir für dich nach, Bürger«, sagte der Große. Lässig strich er sich das Haar zurück und verlagerte sein Gewicht.
Jetzt meinte er es ernst.
»Der Rat läßt mierda seca wie euch rumlungern, und ihr nehmt …«
»Umverteilen – so heißt das – umverteilen.«
»Mir gefällt nicht, was du da gesagt hast, Bürger«, murmelte der Große und kam näher. Vorfreude erfüllte seinen Blick. Er ballte die rechte Hand in der linken Faust, ließ die Knöchel knacken. Manuel vermutete, daß er die Bedeutung des Fluchs nicht kannte, aber sein Tonfall hatte die Absicht deutlich gemacht. Die Augen des Kleinen begannen herumzutanzen. Manuel spannte sich und erwog seine Chancen. Sie standen nicht gut.
Manuel nahm den Gürtel ab. »Okay, okay.« Er reichte ihn dem Kleinen. »Und was hält mich jetzt davon ab, ihn euch wieder wegzunehmen, hm?«
Der Große kicherte, und der Kleine
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