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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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–, und es gelang ihm, sich einen Posten in den kläglichen Resten der Armee zu sichern, die nach dem Debakel von Versailles übriggeblieben waren.
    Kämpffer hingegen, der Sohn eines einfachen Angestellten aus Augsburg, fand sich auf der Straße wieder, mittellos und ohne Zukunft – wie Tausende von anderen Veteranen des verlorenen Krieges. Sie waren keine Helden, sondern eher ein Dorn im Auge der Zivilbevölkerung, die einen neuen Feind hatte: Armut und Elend. Er schloß sich dem nihilistischen Freikorps Oberland an, und von dort aus führte ihn der Weg schließlich in die NSDAP. Mit einem lupenreinen Stammbaum bewies er seine rein deutsch-arische Abstammung und wurde 1931 zum Mitglied der SS.
    Dort lernte er die subtilen Techniken des Schmerzes und der Angst – und auch des Überlebens. Er fand rasch heraus, daß man bei den Vorgesetzten nach Blößen Ausschau halten und sie zum eigenen Vorteil nutzen mußte – und wie man eigene Schwächen vor Untergebenen verbarg. Schließlich gelang es ihm, mit einigen behutsam eingeleiteten Schachzügen im Spiel der Macht zum ersten Assistenten von Ru dolf Höß zu werden, dem Kommandanten des Konzentrationslagers bei Auschwitz.
    In seiner neuen Stellung lernte er so gut und schnell, daß man ihn zum Sturmbannführer beförderte und mit der Aufgabe betraute, das Umsiedlungslager in Ploeşti einzurichten.
    Er sehnte sich danach, endlich damit zu beginnen. Nur der geheimnisvolle Mörder in der Feste hinderte ihn daran. Dieses Problem mußte zuerst gelöst werden.
    Kämpffer nickte sich selbst zu, streckte den Arm aus und löschte die Lampe. Ja, eine rasche Lösung. Und dann nach Ploe ş ti. Es gibt weitaus wichtigere Dinge zu erledigen.
    Es gab nur einen Punkt bei dieser ganzen Angelegenheit, der ihm Sorgen bereitete: Wörmann fürchtete sich. Und er gehörte nicht zu den Männern, denen man leicht einen Schrecken einjagen konnte.
    Der SS-Offizier schloß die Augen, und nach einer Weile spürte er, wie ihn die Trägheit des Schlafs wie eine warme Decke umhüllte. Doch ganz plötzlich veränderte sich etwas: Von einem Augenblick zum anderen wich angenehme Benommenheit eisiger Kälte. Kämpffer erwachte schlagartig und spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten und er am ganzen Leib zu beben begann. Irgend etwas befand sich vor der Tür seines Zimmers. Ein Ding, von dem eine derart intensive Aura des Bösen ausging, daß er die Präsenz durch den Stein und das massive Holz der Tür spürte. Es bewegte sich, schlich durch den Korridor, ging weiter …
    Kämpffers Pulsschlag verlangsamte sich wieder, und der kalte Schweiß auf seiner Haut trocknete. Er brauchte einige Sekunden, um sich davon zu überzeugen, daß es ein besonders lebhafter Alptraum gewesen war.
    Unsicher stand er auf und zog die lange Unterhose aus. Seine Blase hatte sich entleert.
     
    Die Gefreiten Friedrich Waltz und Karl Flick, Angehörige der Ersten Totenkopf-Einheit unter Sturmbannführer Kämpffer, standen im Flur und froren. Sie trugen ihre dunklen SS-Uniformen, und das Licht der Glühbirnen spiegelte sich matt auf den schwarzen Helmen wider. Die beiden Männer langweilten sich; sie waren an einen anderen Dienst gewöhnt. Im Konzentrationslager von Auschwitz standen ihnen warme und komfortabel eingerichtete Wachstuben zur Verfügung. Dort konnten sie es sich gemütlich machen, Kaffee trinken und Karten spielen, während die Gefangenen in zugigen Baracken lagen und voller Grauen an den nächsten Tag dachten. Nur selten befahl man den Männern, draußen an den Toren zu patrouillieren. Zwar befanden sie sich auch diesmal im Innern eines Gebäudes, aber angesichts der Kälte unterschied sich ihre Lage kaum von der Situation der Geiseln. Und das erschien ihnen unangemessen.
    Flick schob den Schulterriemen der Maschinenpistole zurecht und rieb sich die Hände. Trotz der Handschuhe wurden die Fingerspitzen allmählich taub. Er stand direkt neben Waltz, der dort an der Wand lehnte, wo sich die beiden Tunnel kreuzten. Von jener Stelle aus konnte er durch den ganzen linken Flur sehen, bis hin zum dunklen Hof – und gleichzeitig den Arrestbereich auf der rechten Seite im Auge behalten.
    »Ich werd’ noch verrückt, Karl«, stieß Waltz hervor. »Was hältst du davon, wenn wir uns irgendwie die Zeit vertreiben?«
    »Womit denn?«
    »Wie wär’s, wenn wir unseren Gefangenen den Sachengruß beibringen?«
    »Es sind keine Juden.«
    »Aber auch keine Deutschen.«
    Flick dachte darüber nach. Der Sachengruß war

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