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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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eine seiner Lieblingsmethoden, um in Auschwitz den Widerstandswillen von Neuankömmlingen zu brechen. Vier Stunden lang quälte er die Männer und Frauen: Sie mußten die Hän de hinterm Kopf falten und unaufhörlich Kniebeugen machen. Selbst bei durchtrainierten Athleten kam es spätestens nach einer halben Stunde zu den ersten Muskelkrämpfen. Flick fand großen Gefallen daran, den Gesichtsausdruck der Leidenden zu beobachten, wenn ihre Schmerzen immer mehr zunahmen und in den Gelenken ein heißes Feuer zu brennen schien. Und dann die Angst in ihren Augen: Wer der Erschöpfung nachgab und zu Boden sank, wurde entweder auf der Stelle erschossen oder mit erbarmungslosen Tritten dazu aufgefordert, die »Übungen« fortzusetzen. Waltz und er durften natürlich keine Rumänen erschießen – jedenfalls nicht ohne ausdrücklichen Befehl –, aber es hatte wohl niemand etwas dagegen, wenn sie sich ein wenig vergnügten.
    »Wir sind allein«, erwiderte er zögernd. »Wenn eine der Geiseln zu fliehen versucht …«
    »Wir holen uns nur jeweils zwei. Komm schon, Karl. Wir haben bestimmt unseren Spaß.«
    Flick lächelte. »Na schön.«
    Er holte einen Schlüssel hervor und trat auf die Tür zu, die mit einem großen Vorhängeschloß gesichert worden war. Der Korridor führte zu insgesamt vier Räumen, aber man hatte die Gefangenen nicht alle in einer Kammer untergebracht. Flicks Lächeln wuchs in die Breite, als er sich die Furcht in den Zügen der Rumänen vorstellte, wenn er die Tür öffnete.
    Nur noch wenige Meter trennten ihn von dem Zimmer, als erneut Waltz’ Stimme erklang.
    »Warte mal, Karl.«
    Er drehte sich um. Waltz sah in Richtung Hof und runzel te verwirrt die Stirn. »Was ist los?« fragte Flick.
    »Mit einer der Glühbirnen dort drüben stimmt was nicht. Die erste geht aus.«
    »Na und?«
    »Sie brennt nicht durch. Ihr Licht verblaßt nur.« Er wechselte einen kurzen Blick mit seinem Kameraden. »He, jetzt wird auch die zweite schwächer.« Seine Stimme war um eine halbe Oktave höher, als er seine Maschinenpistole anlegte. »Komm her!«
    Flick steckte den Schlüssel wieder ein, griff nach seiner eigenen Waffe und lief auf Waltz zu. Als er die Kreuzung der beiden Korridore erreichte, trübte sich das Licht der dritten Glühbirne. Vergeblich versuchte er, irgendwelche Einzelheiten im Gang dahinter zu erkennen: Rabenschwarze Dunkelheit kroch heran.
    »Das gefällt mir nicht«, brummte Waltz.
    »Mir auch nicht. Aber ich kann niemanden sehen. Vielleicht liegt es am Generator. Oder an einem defekten Kabel.« Seine eigene Erklärung überzeugte ihn nicht.
    Das Licht der vierten Glühbirne verblaßte, und die Finsternis schob sich noch näher heran.
    »Ich schlage vor, wir ziehen uns dorthin zurück«, sagte Flick und trat in den noch immer hellerleuchteten Korridor der Arrestsektion. Wie aus weiter Ferne hörte er das unruhige Flüstern der Gefangenen im letzten Zimmer. Sie sahen nicht die erlöschenden Glühbirnen, aber offenbar spürten sie, daß irgend etwas geschah.
    Flick duckte sich hinter Waltz und zitterte in der intensiver werdenden Kälte. Er beobachtete, wie die Dunkelheit das elektrische Licht verschlang. Er suchte nach einem Ziel, auf das er schießen konnte, doch seinen Blicken bot sich nur Schwärze dar.
    Dann schließlich war sie da und betäubte seine Gliedmaßen mit Frost. Sie verwischte alle Konturen. In einem Augenblick, der sich zu einer Ewigkeit dehnte, wurde Gefreiter Karl Flick Opfer des seelenlosen Schreckens, mit dem er so gern andere Menschen konfrontierte. Erfühlte einen entsetzlichen, die Gedanken zerreißenden Schmerz. Dann verlor sich sein Geist in der immerwährenden Taubheit des Todes.
     
    Langsam kehrte das Licht in die Gänge zurück, zuerst in den hinteren Korridor, dann in die Zugangspassage. Die einzigen Geräusche stammten von den Dorfbewohnern in ihrer Zelle: Frauen schluchzten leise, und Männer seufzten erleichtert, als die Kälte von ihnen wich. Einer von ihnen näherte sich zögernd der Tür und starrte durch einen schmalen Spalt zwischen zwei Bohlen. Sein Blickfeld war auf einen Teil des Bodens und die Wand des Flurs beschränkt.
    Nichts bewegte sich. Eine rote, dampfende Lache auf dem Boden: frisch vergossenes Blut. An der Rückwand zeigten sich weitere rote, schmierig wirkende Flecken. Sie schienen ein bestimmtes Muster zu bilden, wie Buchstaben, die irgendwie vertraut anmuteten und eine Botschaft übermittelten.
    Der Mann wandte sich schaudernd von der Tür ab und

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