Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
stand sie auf und stolperte in ihrer Hast fast über ihre eigenen Füße.
»Was ist denn los?« fragte der alte Mann, als er ihr Gesicht sah.
»Die Bücher!« stieß sie hervor und zitterte. »Sie dürfen nicht einmal existieren!«
Vater Cuza steuerte seinen Rollstuhl näher an den Tisch heran. »Bring sie her.«
Magda bückte sich und hob zwei schwere Bände auf: De Vermis Mysteriis von Ludwig Prinn und Cultes des Goules von Comte d’Erlette. Sie bebte, als sie das brüchige Leder berührte. Die Neugier der beiden Offiziere war geweckt, und sie halfen ihr dabei, die restlichen Unterlagen zum Tisch zu tragen.
Der alte Mann riß die Augen auf, als sein Blick über die Titel glitt.
»Die Pnakotischen Manuskripte, in Form einer Schrift rolle!« stieß er hervor. »Die duNord-Übersetzung des Bu ches Eibon! Die Sieben Rätselhaften Bücher von Hsan! Und hier … Von Juntz’ Geheimnisvolle Kulte. Was für Kostbarkeiten! Jahrhundertelang waren sie verboten und wurden verbrannt. Von manchen wußte man nicht einmal, ob sie tatsächlich geschrieben wurden! Und jetzt liegen sie hier auf dem Tisch, wahrscheinlich die letzten Ausgaben auf der ganzen Welt!«
»Vielleicht hat man sie aus einem guten Grund verboten«, sagte Magda. Der plötzliche Glanz in den Augen ihres Vaters bereitete ihr Unbehagen. Beim Gedanken an die Bücher fröstelte sie: Angeblich beschrieben sie magische Rituale, mit deren Hilfe man Kontakte zu dämonischen Wesen herstellen konnte. Es bestürzte sie zutiefst, nun zu erfahren, daß es sie tatsächlich gab, daß ihre Autoren mehr waren als nur unheilvolle Spukgestalten. Von einem Augenblick zum anderen war Magdas ganzes Weltbild in Frage gestellt.
»Vielleicht«, stimmte der alte Mann zu, ohne den Kopf zu heben. Er rückte sich die Brille zurecht, begann vorsichtig zu blättern. »In einer anderen Epoche. Aber wir leben im zwanzigsten Jahrhundert und besitzen die Werkzeuge der modernen Wissenschaft. Was auch immer diese Bücher enthalten: Es kann uns nicht mehr schrecken.«
»Was sollte überhaupt so furchtbar an ihnen sein?« Wörmann zog den Band Geheimnisvolle Kulte zu sich heran. »Dies hier ist in Deutsch geschrieben.« Er schlug es auf und begann zu lesen. Magda beobachtete, daß er blaß wurde und seine Lippen bebten. Mit einem jähen Ruck schlug der Major das Buch wieder zu.
»Was für ein Wahnsinniger hat solche Worte zu Papier gebracht? Es ist …« Wörmann suchte nach einem passenden Ausdruck, gab es aber schließlich auf und schwieg.
»Was haben Sie dort?« fragte Vater Cuza und sah von einem Buch auf, dessen Titel er noch nicht genannt hatte. »Oh, das Werk von Juntz. Es ist im Jahre 1839 in Düsseldorf erschienen. Es kam nur eine sehr kleine Auflage heraus, vermutlich nicht mehr als zwölf Exemplare …« Seine Stimme erstarb.
»Stimmt was nicht?« Kämpffer stand etwas abseits. Er schien allmählich die Geduld zu verlieren.
»Wie man’s nimmt. Die Feste wurde im fünfzehnten Jahrhundert errichtet – in diesem Punkt bin ich mir ganz sicher. Die Bücher hier wurden vorher verfaßt, mit Ausnahme der Geheimnisvollen Kulte. Und das bedeutet: Vor rund hundert Jahren hat jemand das Kastell besucht und die Kulte den anderen Bänden hinzugefügt.«
»Und was nützt uns diese Erkenntnis?« brummte der Sturmbannführer. »Sie verhindert wohl kaum, daß heute nacht ein weiterer Soldat – vielleicht auch Sie oder Ihre Tochter – umgebracht wird.«
»Es könnten sich neue Anhaltspunkte daraus ergeben«, erwiderte der Professor. »Die Bücher sind über viele Jahrhunderte hinweg als böse und verderblich verurteilt worden. Ich widerspreche dieser Einschätzung. Ich behaupte, daß sie nur das Böse beschreiben . Der Band, den ich gerade in Händen halte, ist besonders gefürchtet – die Originalausgabe des Al Azif. «
Magda stockte der Atem, als sie die letzten beiden Worte hörte. Das war mit Abstand das schlimmste Buch!
»Meine Arabischkenntnisse sind zwar begrenzt, aber sie genügen, um sowohl den Titel als auch den Namen des Autors zu lesen.« Der alte Mann wandte den Blick von seiner Tochter und sah Kämpffer an. »Vielleicht verbirgt sich die Lösung Ihres Problems irgendwo auf diesen alten Seiten. Ich beginne noch heute abend damit, die Dokumente zu studieren. Aber vorher möchte ich die Leichen sehen.«
»Warum?« fragte Wörmann. Er hatte sich inzwischen von seinem Schock erholt.
»Wegen der Wunden. Um festzustellen, ob der Tod Ihrer Soldaten mit irgendwelchen rituellen
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