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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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schüttelte traurig den Kopf, als er las, dass er der seelischen Grausamkeit bezichtigt wurde. Tony kam kurz nach dem Briefträger. Alan zeigte ihm die Papiere.
    »So schnell geht so etwas nicht«, sagte Tony, als er die Blätter zusammenfaltete und sie in die Innentasche seines Jacketts gleiten ließ. »Ich kann dir fast garantieren, dass sie das schon vor Wochen eingereicht hat.«
    »Sie ist also nicht zu ihrer Familie gefahren, um die Dinge noch einmal zu überdenken. Sie hat mich endgültig verlassen. Na Klasse!«
    Alan seufzte. Die Ehe war schon seit Jahren gescheitert; er hatte das nur nicht erkannt. Er wollte zornig sein, und er hätte sich verletzt fühlen müssen. Stattdessen hakte er es einfach ab. Er wollte etwas fühlen. Er schien überhaupt nichts mehr zu empfinden. Er verbrachte seine Zeit damit, im Haus herumzuhängen und abzuwarten, was die Staatliche Prüfungskommission tun würde. Es lähmte, dass er heute nicht wusste, ob er morgen noch seine ärztliche Zulassung haben würde. Er hatte das Haus am Feiertagswochenende zum 4. Juli nicht einmal verlassen. Die Tage zogen alle völlig gleichförmig an ihm vorbei.
    »Hast du schon was von der Staatlichen Prüfungskommission gehört?«
    Tony lächelte. »Deswegen bin ich vorbeigekommen. Die Kommission wird erst Anfang September etwas unternehmen. Ich sprach heute mit einem der Beisitzer, und er sagte mir, da keine einzige Beschwerde von einem Patienten vorliegt, keine Klage wegen Fahrlässigkeit, kein zivil- oder strafrechtlicher Prozess gegen dich anhängig ist, es auch keinen Hinweis darauf gibt, dass du jemandem geschadet haben könntest, und einige Mitglieder des Ausschusses im Urlaub sind, gab es keinen Grund, eine sofortige Anhörung anzuberaumen.«
    Alan hatte das Gefühl, ihm würde eine schwere Last von den Schultern genommen. »Wirklich?«
    »Wirklich. Das gibt uns zwei volle Monate Zeit, uns auf die Anhörung vorzubereiten. Und ich glaube, bis dahin werden wir der Krankenhausleitung eine Menge Druck machen können. Sie müssen das entweder durchziehen oder den Schwanz zwischen die Beine klemmen und einen Rückzieher machen. Und nach dem, was ich letzte Woche gesehen habe – und ich kann immer noch nicht richtig glauben, was ich da gesehen habe –, habe ich das Gefühl, dass denen ganz schnell der Arsch auf Grundeis gehen wird. Und dann machen wir ihnen die Hölle heiß.«
    »Ich will nur meinen bisherigen Status zurück.«
    »Sei kein Blödmann, Al! Sie haben deine Suspendierung dem Express binnen einer Stunde zugespielt! Das ist verdammt niederträchtig!«
    »Angeblich stammt die Information nicht von ihnen.«
    »Sie lügen. Wir werden diese Clowns an die Wand nageln!«
    »In Ordnung, Tony«, sagte Alan und legte eine Hand auf die Schulter des Freundes. »In Ordnung. Reg dich nur wieder ab.«
    »Mir geht es gut. Spiel nur nicht den Großzügigen vor diesen Bastarden. Wenn du vor ihnen erst einmal diese kleine Show abgezogen hast, so wie letzte Woche vor mir, dann werden wir –«
    »Keine Show, Tony.«
    »Was?« Tonys Gesicht wurde lang. »Was meinst du, keine Show?«
    Alan ließ sich in den Sessel fallen. »Ich habe viel darüber nachgedacht, seit Ginny weg ist. Ehrlich gesagt hatte ich sonst nicht viel anderes zu tun. Aber mir ist klar geworden, dass mein Privatleben erledigt sein wird, wenn ich öffentlich zugebe, was ich kann, und wenn ich wirkungsvoll demonstrieren kann, dass ich nicht verrückt bin. Schlimmer noch, man wird mich als eine Art Allgemeingut betrachten, das allen zusteht. Mann, ich könnte sogar das Objekt eines religiösen Kultes werden. Ich würde rund um die Uhr im Rampenlicht stehen. Ich würde keinerlei Freiräume mehr haben, nichts. Wahrscheinlich würde ich sogar auf den Abschusslisten von Attentätern ganz oben landen.« Er schüttelte langsam den Köpf. »Auf keinen Fall.«
    Tony schwieg einen Moment, dann sagte er: »Ja, ich verstehe, was du meinst. Nun, okay. Ich kriege dich auch ohne diesen Hokuspokus da raus.« Er wies mit einem Finger auf Alan. »Aber vermassel es nicht so wie vor dem Kuratorium. Du wärst jetzt nicht in dieser Situation, wenn du auf mich gehört und den Mund gehalten hättest!«
    Alan faltete seine Hände wie zum Gebet und neigte den Kopf. »Amen, Bruder.«
    Tony lachte. »So gehört sich das!«
    »Wie steht es in der Praxis?«, fragte Alan, als er sich erhob und ihn zur Tür führte. »Hat sich alles beruhigt, seitdem sich meine Suspendierung herumgesprochen hat?«
    »Ganz im Gegenteil. Die

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