Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
Menge wird von Tag zu Tag größer. Ich meine, einige von denen sind jetzt schon seit Wochen da und warten auf eine Gelegenheit, dich zu treffen. Man sollte meinen, sie hätten es mittlerweile aufgegeben.«
»Diese Leute können nicht einfach aufgeben«, sagte Alan. »Sie sind schon überall gewesen und haben alles versucht. Es gibt nichts mehr, wohin sie noch gehen könnten.«
Alan stand an der Tür und sah die Auffahrt hinunter, ohne Tonys Abfahrt wahrzunehmen.
Es gibt nichts mehr, wohin sie noch gehen könnten. Gott, was muss das für ein schreckliches Gefühl sein. Und dann zu warten und zu warten, und das Wunder, um das sie beten, kommt nicht.
Er ging seine Tabellen über die Stunde der Macht durch. Nach ein paar Berechnungen griff er zum Telefon und rief seine Sprechstundenhilfe an. »Conny? Könnten Sie sofort zur Praxis kommen? Sehr gut! Wir haben Arbeit vor uns!«
27. Charles
Ein weiteres »informelles Gespräch« mit dem Senator.
Charles unterdrückte ein Gähnen. Er war mit Julie für ein verlängertes Feiertagswochenende nach Montauk gefahren – Freitag, Samstag und Sonntag am Strand. Der amerikanische Unabhängigkeitstag hatte für ihn eine spezielle Bedeutung, weil er damit auch seine eigene Unabhängigkeit von England feierte. Der Sonnenbrand, den er sich am Strand geholt hatte – verdientermaßen, weil er den größten Teil des gestrigen Tages mit bloßem Oberkörper verbracht hatte –, hatte ihn die halbe Nacht nicht schlafen lassen.
»Ach übrigens«, sagte der Senator, als Charles sich zum Gehen erhob, »am Wochenende habe ich da eine komische Geschichte gehört. Irgendwann im letzten Monat wurde in Monroe eine Frau, die ihr Leben lang einen Klumpfuß hatte, von einem Mann angesprochen, der ihr nachrannte, sie zu Boden warf und ihren Fuß mitten auf der Straße wieder gerichtet hat.«
Charles verdrehte die Augen. Dieser Mann kriegte einfach nicht genug von diesem Thema! Er wollte nicht noch mehr Zeit hier verschwenden. Er wollte sich gleich mit Sylvia treffen, die Jeffy für einige Tage zu einigen Tests vorbeibrachte. Er freute sich darauf, sie zu sehen.
»Eine typische Wunderheilungsgeschichte. Welcher von den Heiligen war es denn diesmal? Antonius? Bartholomäus?«
Der Senator lächelte. »Nein. Die Beschreibung passt eigentlich ziemlich gut auf Dr. Alan Bulmer.«
Schon wieder Bulmer! Der Senator schien an dem Mann einen Narren gefressen zu haben. Seit Kurzem schien jede Unterhaltung mit Sylvia oder dem Senator immer wieder auf Alan Bulmer zurückzukommen. Charles hatte ihn nur einmal getroffen, aber er hatte trotzdem verdammt noch mal die Nase von ihm voll.
»Lassen Sie mich raten«, sagte Charles, bevor der Senator fortfahren konnte. »Der angeblich deformierte Fuß ist jetzt wieder verflucht normal. Richtig?«
Der Senator nickte. »Richtig. Nur ›angeblich‹ ist nicht ganz korrekt. Die Missbildung der Frau war seit Jahren allgemein bekannt. Jetzt gibt es kein Anzeichen mehr davon.«
Charles grinste über die Leichtgläubigkeit des Senators. »Gibt es Röntgenaufnahmen von früher und von heute?«
»Es wurden keine gefunden. Anscheinend litt diese Frau an einer unglücklichen Verbindung von Armut und Unwissenheit – sie hat niemals ärztliche Hilfe aufgesucht.«
»Wie praktisch«, sagte Charles lachend.
»Würden Röntgenaufnahmen Sie überzeugen?«
»Nicht sehr. Besonders alte nicht. Sie könnten von einem anderen Fuß stammen.«
Jetzt fing der Senator an zu lachen, und er schien wirklich guter Laune zu sein.
»Darum mag ich Sie, Charles! Sie akzeptieren nichts auf den bloßen Augenschein hin. Sie trauen niemandem! Für mich ist klar: Wenn Sie mal an etwas glauben, dann kann ich mich darauf verlassen, dass ich das auch glauben kann.«
»Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, Senator – ich glaube an nichts. Entweder weiß ich etwas oder eben nicht. Glaube ist ein beschönigender Ausdruck für Ignoranz gepaart mit mangelndem Denkvermögen.«
»Manchmal muss man an etwas glauben.«
»Es steht Ihnen frei zu glauben, was Ihnen gefällt, Senator. Ich glaube an nichts, Punktum.«
Erlöse uns von allen Menschen, die »glauben«, dachte Charles, als er aus dem Zimmer ging.
Seine Sekretärin Marnie hielt einen Zettel hoch, als er sein Büro betrat. »Mrs Nash wartet auf Sie.«
Seine Laune besserte sich. Sylvia war in letzter Zeit so verflucht beschäftigt gewesen, sie schien überhaupt keine Zeit mehr für ihn zu haben. Er wusste, dass sie sich Sorgen um Jeffy
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