Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
der linken, dann mit beiden gleichzeitig.
»Du wirst mir das nicht antun! Es wird nicht wieder passieren! Ich werde es nicht zulassen! Ich werde nicht! Nie wieder!«
Alan zog sie fest an sich, einerseits weil er den Schmerz, den er in ihr spürte, lindern wollte, andererseits auch, um sich vor ihr zu schützen.
»Sylvia! Was ist los?«
Sie kämpfte einen Moment heftig, dann sackte sie gegen ihn. Er hörte und fühlte sie schluchzen.
»Tu mir das nicht an!« Sie weinte.
»Was denn?« Er war erstaunt und betroffen von ihrem Ausbruch.
»Bring mich nicht dazu, dass ich dich brauche und will, dass du da bist. Ich kann das nicht noch einmal durchstehen. Ich kann nicht noch einen Menschen verlieren! Ich kann einfach nicht!«
Und dann verstand er. Er zog sie noch enger an sich.
»Ich gehe nirgendwohin.«
»Das hat Greg auch gedacht.«
»Es gibt keine Garantie gegen solche Tragödien.«
»Vielleicht nicht. Aber manchmal scheint es, als ob du das Schicksal herausforderst.«
»Ich glaube, ich habe heute Abend eine Menge gelernt.«
»Ich hoffe es. Du hättest getötet werden können.«
»Aber ich wurde nicht getötet. Ich bin hier. Ich will mit dir zusammen sein, Sylvia. Und wenn du mich lässt, bleibe ich bei dir – heute Nacht und jede Nacht. Aber besonders heute Nacht.«
Nach einer langen Pause fühlte er, wie sie ihre Arme zwischen ihnen herauswand und sie über seinen Rücken glitten. »Besonders heute Nacht?«, fragte sie leise.
»Ja. Ich habe mich lange dagegen gesträubt, aber ich glaube nicht, dass ich jetzt noch zurück kann.«
Er wartete geduldig eine weitere lange Pause ab. Schließlich sah sie zu ihm auf.
»Ich auch nicht.«
Er küsste sie, und sie erwiderte den Kuss, legte ihre Hände auf sein Gesicht, und dann umklammerten ihre Hände seinen Nacken. Alan presste sie an sich, fast überwältigt von den Gefühlen, die in ihm wuchsen, alte Gefühle, die so lange im Verborgenen gelegen hatten, dass er ihre Existenz fast schon vergessen hatte. Er öffnete ihren Morgenmantel und sie den seinen, und dann schmiegte sich ihre heiße Haut an ihn. Die Mäntel sanken zu Boden und er führte sie zu der Couch, wo er mit den Lippen und den Fingern ihren Körper Zentimeter um Zentimeter erforschte, während sie mit ihm das Gleiche tat. Dann waren sie zusammen und drängten sich ineinander, während die Blitze über sie hinwegzuckten und der Donner und der hämmernde Regen alles übertönten bis auf ihr Stöhnen auf dem Höhepunkt des Sturms und der Ekstase.
»Gott! So ist das also!«, hörte sie ihn sagen, als sie wieder zu Atem gekommen waren und nebeneinander auf der Couch lagen.
»Soll das heißen, es ist schon so lange her, dass du es vergessen hast?«, fragte Sylvia lachend.
Sie konnte in der Dunkelheit beinahe sein Lächeln sehen.
»Ja. Es scheint ewig her zu sein, dass es so war wie jetzt. Ich habe mich so daran gewöhnt, dass ich vergessen habe, was Leidenschaft ist. Ich meine wahre Leidenschaft . Es ist großartig! Es ist, als sei man ein neuer Mensch.«
Die Lampen waren noch aus. Blitze flackerten noch, aber nicht mehr so heftig, und die Intervalle zwischen Blitzen und dem Grollen des Donners wurden zunehmend länger.
Alan machte sich los und ging zum Fenster. Er schien den Sturm zu lieben.
»Weißt du, dass du die zweite Frau bist, mit der ich je geschlafen habe?«
Sylvia war überrascht. »Wirklich?«
»Wirklich.«
»Aber du musst viele Gelegenheiten gehabt haben.«
»Ich schätze, ja. Angebote gab es jedenfalls genug. Ich weiß allerdings nicht, wie viele davon ernst gemeint waren.« Sie sah, wie sich die Silhouette seines Kopfes zu ihr hin wandte. »Nur bei einer der Anbieterinnen bin ich wirklich in Versuchung gekommen.«
»Aber du hast niemals nachgegeben.«
»Was nicht daran liegt, dass sie mir nicht zugesagt hätte.«
»Sondern weil du verheiratet warst.«
»Ja. Der treue Ehemann. Der täglich Ehebruch begeht.«
Das verwirrte sie. »Ich verstehe dich nicht.«
»Meine Geliebte war meine Praxis«, sagte er leise, als würde er ein Selbstgespräch führen. »Sie kam zuerst. Ginny musste sich mit dem begnügen, was übrig blieb. Um der Ehemann zu sein, den sie brauchte, hätte ich kein so guter Arzt sein können, wie ich es sein wollte. Ich traf eine Entscheidung. Es war nichts Bewusstes. Ich habe es auch nie so gesehen. Aber jetzt, wo Ginny und die Praxis weg sind, ist es offensichtlich. Meine Gedanken waren zu oft woanders. Ich habe sie jede Stunde, jeden Tag
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