Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
gefalteten Hände hinunter.
Daraufhin erzählte Bruder Robert ihnen von Carol Stevens Schwangerschaft, dass sie das Kind von Doktor Hanleys seelenlosem Klon austrug, und was sie für die wahre Natur dieses Kindes hielten. Er sah ihre Furcht und das Staunen in ihren Augen, während sie ihm zuhörten, und sah, wie sich das in Abscheu verwandelte, als er ihnen erzählte, was Grace über sich offenbart hatte.
Gemurmeltes »Nein!« und »Das kann doch nicht wahr sein!« raunte durch den Raum. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass jemand aus ihrer Mitte eine solche Vergangenheit haben könnte.
Die Stimme von Grace durchschnitt plötzlich das Gemurmel.
»Es ist wahr.« Sie erhob sich und schritt zur Mitte des Raumes. »Ich hatte mir eingeredet, ich würde diesen Mädchen helfen, ich würde ihnen die Schande und Schlimmeres ersparen, und sie vor irgendeinem Schlachter bewahren, der vielleicht unvorsichtiger vorging und sie durch Infektionen in Lebensgefahr brachte. Vielleicht stimmte das zu einem gewissen Grad sogar. Aber ich habe es auch wegen des Geldes gemacht und wegen der Aufregung, die damit verbunden war, etwas Verbotenes zu tun.«
Diejenigen, die den Ruf empfangen hatten, wichen vor ihr zurück, als würden sie bereits durch ihre Nähe beschmutzt. Bruder Robert jedoch sah den Schmerz in ihrem Gesicht, als sie ihnen das Geheimnis enthüllte, das sie so lange mit sich herumgeschleppt hatte.
»Ich dachte nicht an das, was ich diesen ungeborenen Kindern antat, diesen winzigen Seelen. Ich hielt mich für eine mutige Frau, die Probleme aus der Welt schaffte. Mir kam nie der Gedanke, wie viele Leben ich damit auslöschte. Aber dann kam eine Zeit, als ich die Dinge mit anderen Augen sah. Ich konnte nicht länger verleugnen, dass es Menschen waren, ich konnte sie nicht mehr zu bloßen Gewebeklumpen erklären, indem ich sie Embryonen und Föten nannte. Ich sah sie als Kinder – und ich hatte sie ermordet! Ich bin in den Schoß der Kirche zurückgekehrt … und ich habe seitdem immerfort meine Sünden bereut.« Sie schluchzte. »Bitte vergebt mir!«
»Es ist nicht an uns, dir zu vergeben«, sagte Daniel Ortega mit weicher Stimme. »Das liegt in Gottes Hand.«
»Aber vielleicht«, ereiferte sich Grace, »bin ich bereits in Gottes Hand. Vielleicht bin ich auserkoren, seine Waffe gegen den Antichrist zu sein. Deswegen hat er mich zu euch geführt. Weil ich die Fähigkeit habe, zu verhindern, dass sein Gegenspieler geboren wird. Ich kann einen Abort für den Antichrist vornehmen, während er noch klein und hilflos ist. Und ich kann das tun, ohne dass der unschuldigen Frau, die ihn austrägt, ein Leid geschieht.«
Schockierte Ausrufe kamen auf. »Nein!« »Niemals!« Louise Farmer drehte sich um und wandte sich zur Haustür. »Ich werde mir das nicht länger anhören!«
Als Bruder Robert die Hände hob, um sie zum Schweigen zu bringen, spürte er, wie die Dielenbretter unter seinen Füßen vibrierten.
Und irgendwo in einem der oberen Zimmer des Hauses schlug mit einem lauten Knall eine Tür zu.
Jeder stand plötzlich stocksteif da und lauschte in atemloser Stille, wie jede Tür im Haus eine nach der anderen lautstark ins Schloss fiel.
Bruder Robert spürte wieder ein Vibrieren in den Dielenbrettern. Die anderen mussten es auch bemerkt haben, denn sie sahen auf ihre Füße hinunter. Plötzlich schien Elektrizität in der Luft zu liegen. Er spürte, wie seine Gesichtshaut prickelte, wie sich die Härchen auf seinen Armen und Beinen aufrichteten. Die Spannung im Raum stieg unerklärlicherweise, aber unverkennbar an.
Es würde etwas passieren! Bruder Robert wusste nicht, ob er es mit offenen Armen empfangen oder sich davor verstecken sollte.
Und dann erschien ein Licht in der Luft. Es hing für einen Moment über Grace mitten im Raum, eine flackernde Feuerzunge, dann begann es sich auszubreiten. Und zu erstrahlen. Es gab eine lautlose Explosion aus Helligkeit, die den Raum mit einem unerträglichen, niederschmetternden Strahlen erfüllte, die in Bruder Roberts Augen stach und ihn vor Schmerz aufschreien ließ.
Und so plötzlich, wie es gekommen war, verschwand es wieder.
Bruder Robert schüttelte den Kopf und versuchte die roten Flecken zu vertreiben, die vor seinen Augen schwammen. Schließlich konnte er wieder sehen. Er sah die anderen blinzeln und im Raum herumstolpern. Einige wimmerten, andere beteten. Auch Bruder Robert fühlte den Drang zu beten, denn er war gerade Zeuge eines Wunders geworden … aber
Weitere Kostenlose Bücher