Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
gingen, das Gefühl hatten, sie würden ihr Zuhause verlassen. Sie mussten das Gefühl haben, dass sie in ihr Zuhause gingen.
»Keine Chance, Junge. Wir spielen an Samstagen. Und außerdem brauchst du Vorgaben genauso wenig wie Cassius Clay für einen rechten Haken.«
»Er nennt sich jetzt Muhammed Ali.«
»Wie auch immer. Sei einfach ruhig, während ich versuche, das hier zu reparieren.«
Bill konzentrierte sich darauf, die Schraube wieder anzuziehen, die den Bügel am Gestell fixierte. Die Schraube fand gerade Halt, als er Nicky sagen hörte: »Ich sehe, Loyola hat Sie abgelehnt.«
Bill sah auf und bemerkte, dass Nicky ein Blatt Papier in der Hand hielt. Er erkannte das Briefpapier des Loyola-College. Ärger wallte in ihm auf.
»Leg das hin! Das ist meine private Korrespondenz.«
»’tschuldigung.«
Bill hatte sich beim Oberen darum beworben, als Lehrer an ein College zu gehen, und hatte in Fordham, Georgetown und anderen Jesuitencolleges nach offenen Dozentenstellen angefragt. Er hatte Lehrbefähigungen für Geschichte und Philosophie. Sobald irgendwo eine Stelle frei wurde, wäre er hier weg, und könnte dann das Leben eines Akademikers führen, dass er sich all die Jahre im Priesterseminar erträumt hatte.
Gott dienen durch den menschlichen Verstand. Das war sein persönliches Motto seit dem zweiten Jahr seiner Ausbildung gewesen.
Er hatte sich bei St. Francis in intellektueller Hinsicht nicht viel erhofft. Zwei endlose Jahre als Disziplinarpräfekt hatten seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Es war eine Aufgabe, bei der man verkümmerte. Er spürte, wie seine kreativen Säfte austrockneten und verdorrten. Er war mittlerweile sechsundzwanzig und vergeudete hier das, was die produktivsten Jahre seines Lebens sein sollten. Bahnbrechende Umwälzungen gingen da draußen in der wirklichen Welt vonstatten, vor allem an den Hochschulen. Die ganze Gesellschaft war aufgewühlt, in der Luft brodelte es vor Ideen, vor Veränderung. Er wollte ein Teil davon, wollte am Pulsschlag der Erneuerung sein.
Aber da er hier in diesem Anachronismus von Waisenhaus festsaß, bekam er nur ganz am Rande mit, was da draußen passierte.
Am letzten Wochenende war es ihm gelungen, sich für zwei Tage freizumachen. Er und ein paar Freunde aus dem Priesterseminar hatten sich in zivil gekleidet und waren die ganze Nacht durchgefahren, um in New Hampshire Wahlkampf für Eugene McCarthy zu machen. Bis zu den Vorwahlen waren es nur noch ein paar Wochen und es sah so aus, als könne Senator McCarthy Präsident Johnson wirklich gefährlich werden.
Gott, diese Begeisterung da in der Gegend! All diese jungen Hippie-Typen, die sich die Barte rasierten und die Haare schnitten – »Get Clean für Gene« war der Slogan – und dann von Tür zu Tür Klinken putzen gingen. Entschlossenheit und Aufbruch lagen in der Luft; das Gefühl, dass hier Geschichte geschrieben wurde. Es hatte ihn wirklich deprimiert, als er am Sonntagabend wieder zurückfahren musste.
Hierher zurück. In das St. Francis Waisenhaus.
Bill glaubte fest daran, dass man aus jeder Erfahrung einen Nutzen ziehen, dass man aus allem neue Erkenntnisse gewinnen konnte. Auch wenn er sich nicht sicher war, was er bisher hier gelernt haben sollte, war er doch überzeugt, dass er alles, was man an Weisheit in St. Francis erwerben konnte, mittlerweile in sich aufgesogen hatte. Von jetzt an war es immer nur wieder der gleiche Trott. Und er wollte jetzt aus dem Leerlauf hinaus und etwas Neues beginnen.
Es ist genug, Herr. Ich habe meine Lektion gelernt. Ich bin mit diesem Kapitel fertig. Blättern wir um und gehen zur nächsten Lektion über. Einverstanden?
Aber er musste warten, bis er dazu grünes Licht bekam. Als Jesuit hatte er nicht nur Armut und Zölibat geschworen, sondern auch Gehorsam. Er hatte dahin zu gehen, wohin ihn die Gesellschaft Jesu schickte. Er konnte nur hoffen, dass sie ihn möglichst schnell von hier wegschickten.
»Du hast in meinen Unterlagen nicht herumzuschnüffeln.«
Nicky zuckte die Achseln. »Ja, aber es ist tröstlich, zu wissen, dass wir Kinder hier nicht die einzigen sind, die man nicht haben will. Deswegen müssen Sie sich nicht schlecht fühlen. Sehen Sie mich an. Was Absagen angeht, bin ich Profi.«
»Wir finden schon noch etwas für dich.«
»Sie können ehrlich zu mir sein, Pater. Ich weiß, Sie haben versucht, von hier wegzukommen, seit Sie die Stelle bekommen haben. Das ist schon okay. Sie sind damit auch nicht anders als jeder
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