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Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Versprechen, das er Nicky gegeben hatte, nicht bereuen würde. Aber es schien eine gefahrlose Sache. Er würde nirgendwo hingehen. Überall, wo er sich bisher für eine Dozentenstelle beworben hatte, hatte er Absagen erhalten. Es sah so aus, als würde er noch geraume Zeit in St. Francis festsitzen.
    Die Gegensprechanlage summte. Schwester Miriams Stimme sagte: »Hier ist ein junges Ehepaar und möchte alte Adoptionsakten einsehen. Pater Anthony ist heute nicht da und ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Bill schraubte eilig den Bügel an Nickys Brille fest und scheuchte ihn aus dem Büro.
    »Ich bin gleich unten.«
     
    2.
     
    Da wären wir wieder, dachte Jim, als er mit Carol in der Eingangshalle von St. Francis stand. Hier beginnt meine Geschichte.
    Auch wenn er sich an diesen Ort aus seiner Kindheit nicht mehr erinnern konnte, bekam er hier immer einen Kloß im Hals. Er verdankte den Priestern und Nonnen hier eine Menge. Sie hatten ihn aufgenommen, als seine wahren Eltern ihn loswerden wollten, und sie hatten ein Heim für ihn gefunden, wo er geliebt wurde. Er neigte dazu, Altruismus misstrauisch zu sehen, hatte aber immer das Gefühl, dass das Waisenhaus ihm eine Menge gegeben hatte, ohne das er je etwas zurückgeben konnte. Das mussten die Nonnen in der Schule gemeint haben, wenn sie von ihren ›guten Taten‹ sprachen.
    Die zugige Eingangshalle war so trostlos wie der Rest des Gebäudes. Sogar ziemlich abschreckend, wenn man genauer hinsah: von außen eine wetterzerfressene Granitfassade und im Innern abblätternde Farbe an den hölzernen Fenster- und Türrahmen. Der Kitt und die Zargen waren so oft gestrichen und überstrichen worden, dass alles, was ursprünglich an Verzierungen in das Holz geschnitzt gewesen war, jetzt zu unregelmäßigen Vorsprüngen und abgerundeten Kanten ausgebeult war.
    Ihn fröstelte, nicht nur wegen der Februarkälte, die sich im Stoff seiner Cordjacke festgesetzt hatte, sondern auch angesichts der Erwartung, dass er jetzt endlich in der Zeit zurückgehen, bis hinter den Tag vordringen könnte, an dem er hier ausgesetzt worden war. Bei all seinen vorhergehenden Besuchen in St. Francis hatte sich dieser spezielle Tag im Januar des Jahres 1942 als undurchdringliche Barriere dargestellt, die all seinen Anstürmen getrotzt hatte. Aber heute hatte er einen Schlüssel gefunden. Vielleicht würde der die Tür öffnen.
    »Ich fange an, diese Sache ernst zu nehmen«, sagte er zu Carol.
    »Was?«
    »Diese Hanley-Sache.«
    »Ich nicht. Ich kann es einfach nicht glauben.«
    »Es wird eine Weile dauern, aber dadurch stehen mir jetzt alle Türen offen. Ich werde endlich herausfinden, wo ich herkomme. Ich kann es fühlen.«
    Er sah die Besorgnis in Carols Augen. »Ich hoffe, es ist den Aufwand wert.«
    »Vielleicht kann ich mich endlich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, wenn ich nicht immer zurückschauen und mir Gedanken darüber machen muss, was gewesen ist.«
    Carol lächelte nur und drückte statt einer Antwort seine Hand.
    Vielleicht konnte er sich besser auf seine Romane konzentrieren, wenn er die Antworten zu all den Warums? fand, die in seinem Kopf herumspukten.
    Wie zum Beispiel die Frage, warum zum Teufel er hier ausgesetzt worden war.
    Wenn Dr. Roderick Hanley sein biologischer Vater war, ließ sich das damit erklären, dass der alte Knacker wohl gemeint hatte, ein uneheliches Kind würde seinem Ruf schaden.
    Bitte! Damit konnte Jim leben.
    Aber was war mit seiner Mutter? Warum hatte sie ihn als Baby verstoßen? Er war sicher, sie hatte einen guten Grund gehabt – es musste einfach einen geben. Er würde es ihr nicht zum Vorwurf machen. Er wollte es nur wissen.
    War das zu viel verlangt?
    Er hatte Fragen über seine Person, die er nie mit Carol besprochen hatte, Fragen über bestimmte dunkle Regionen seiner Psyche, die er beantwortet haben wollte.
    Plötzlich zerrte Carol an seinem Ärmel.
    »Jim, sieh mal! Guter Gott, sieh, wer da ist!«
     
    3.
     
    Carol traute ihren Augen kaum. Sie hatte bemerkt, wie gut der junge Priester aussah: Der kurze Schnitt des dichten braunen Haars, die klaren blauen Augen, die breiten Schultern und der athletische Körper, den auch die einem Kleid ähnelnde Soutane nicht verdecken konnte. Und dann war ihr aufgefallen, dass sie ihn kannte.
    Billy Ryan aus Monroe.
    Als sie ihn jetzt hier so sah, versetzte ihr das einen Hitzeschub fast wie damals, als sie ihn das erste Mal in der Highschool gesehen hatte. Damals stand er ganz allein in einer Ecke

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