Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
Untersuchungstisch legen. Wir würden dann einen dünnen Gummischlauch durch den Muttermund einführen und ihr eine Lösung, die die drei befruchteten Eizellen enthielt, in die Gebärmutter injizieren.
Danach lag es nicht mehr bei uns. Wir konnten nur noch hoffen, dass eine der Eizellen ihren Weg in die Gebärmutterschleimhaut – die Wand der Gebärmutter – finden und sich dort einnisten würde. Es gab natürlich die theoretische Möglichkeit, dass sich alle drei Eizellen einnisten würden und Jazzy Drillinge bekam, aber weder Derr noch ich machten uns deswegen irgendwelche Sorgen. Wir wussten, es war schon sehr viel Glück, wenn nur eine der Eizellen sich einnistete.
Das erste Mal führten wir die Prozedur Mitte Dezember 1940 an ihr durch. Sie bekam ihre Periode an Neujahr. Wir versuchten es Mitte Januar erneut, aber ihre Periode kam pünktlich wie immer am Ende des Monats. Und so ging es weiter, den ganzen Winter und das ganze Frühjahr hindurch. Jeden Monat hielten wir alle zusammen den Atem an, bis ihre Periode anstand, und jeden Monat wurden wir wieder enttäuscht, wenn die Krämpfe und das Blut kamen.
Ihre nächste Menstruationsblutung stand für Ende April an. Am ersten Mai war sie überfällig. Ich habe mit acht Jahren aufgehört, an Gott zu glauben, aber ich erinnere mich, dass ich während dieser Zeit stillschweigend vor mich hin gebetet habe. Der zweite und der dritte Mai vergingen und noch immer war nichts passiert. Aber gegen Mitternacht am dritten Mai versetzte sie uns einen heftigen Schrecken. Sie war müde und deswegen früh zu Bett gegangen. Plötzlich hallte ihr schrilles panisches Schreien durch das Haus. Wir rannten zu ihr und als wir sie dann zusammengekrümmt im Bett fanden, wobei sie sich den Bauch hielt, befürchteten wir das Schlimmste – einen Abort. Aber körperlich war alles in Ordnung mit ihr. Der Aufruhr war das Ergebnis eines besonders schrecklichen Albtraums. Es musste sie schwer mitgenommen haben, denn das Zittern des armen Dings schüttelte das ganze Bett. Es dauerte eine ganze Weile, aber schließlich gelang es uns, sie zu beruhigen und sie schlief wieder ein.
Aus vier Tagen überfällig wurde eine Woche, dann zwei Wochen. Jazzy beklagte sich über empfindliche Brüste und Übelkeit am Morgen. Ein Schwangerschaftstest war positiv. Jazzy war keine Minute aus dem Haus gekommen und weder Derr noch ich hatten sexuell mit ihr verkehrt.
Wir hatten es geschafft!
Was haben wir da gefeiert. Champagner, Kaviar und dann haben wir drei wie die Idioten zur Musik aus dem Radio getanzt. Derr und ich verhielten uns, als sei es Sylvester, auch weil wir wussten, dass mit diesem Tag in gewisser Weise eine neue Zeit anbrach – der Anbruch einer neuen Ära der Menschheit. Wir hatten den ersten Schritt gemacht, um die zufälligen Faktoren bei der Vermehrung auszuschalten, wir gaben der Menschheit ein Mitspracherecht bei der Schöpfung, wir legten den Grundstein, um die Menschheit nach unseren Wünschen neu zu schaffen, nach unserem Ebenbild. Ich will nicht sagen, dass wir uns wie Götter fühlten, Jim, aber wir waren mindestens Halbgötter.
Die Monate schlichen dahin. Jazzy wurde reizbar, depressiv, neigte zu starken Stimmungsschwankungen und heftigen Ausbrüchen. Wir bemerkten Persönlichkeitsveränderungen an ihr. Sie verabscheute es, schwanger zu sein, und sie hasste die Auswirkungen, die das auf ihren Körper hatte. Sie drohte immer wieder, sie würde sich hinausschleichen und eine Abtreibung vornehmen lassen, also behielten wir sie im Auge. Wir verhätschelten sie und schmeichelten ihr, beknieten sie, durchzuhalten, versicherten ihr, dass es doch nur bis Januar sei und dass sie danach einen dicken Batzen Geld hätte und tun und lassen könne, was sie wollte.
Ich erinnere mich, wie Derr und ich in einigen Nächten, wenn Jazzy ruhig war und es gestattete, neben ihrem Bett knieten, auf dem sie mit gewölbtem nackten Bauch lag, und uns mit dem Foethoskop abwechselten (was nichts anderes ist als ein normales Stethoskop, nur dass die Muschel mit einem Metallband verbunden ist, dass um den Kopf des Arztes gewickelt ist, sodass er auch die Schwingungen in den Knochen spüren kann und nicht nur den Klang durch die Ohrbügel), das wir gegen ihren Bauch pressten, um die schwachen, hektischen Schläge des winzigen Herzens darin zu zählen.
Oder wir legten unsere Hände auf ihre seidige Haut und spürten die Tritte und Regungen darunter und lachten verzückt.
Sie stand ungefähr einen Monat vor
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