Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
herein und half mir, sie wegzuzerren, dann gab er ihr ein starkes Beruhigungsmittel. Als wir ihre Schlafzimmertür abschlössen, sah ich den Blick in seinen Augen und mir wurde klar, dass Jazzys Ausbruch ihn dazu brachte, seine Position zu überdenken.
Ihr Verhalten war uns vollkommen unerklärlich, weil Jazzy, soweit wir das wissen konnten, gar keine Ahnung hatte, was wir in ihre Gebärmutter eingepflanzt hatten. Ich war davon ausgegangen, dass sie uns für zwei schräge Vögel hielt, vielleicht sogar für ein schwules Paar, die sie mithilfe von künstlicher Befruchtung (auch wenn ich stark bezweifle, dass sie dieses Wort kannte) geschwängert hatten. Es gab keine Erklärung für ihr bizarres, gewalttätiges Verhalten dir gegenüber, aber das Vorkommnis brachte Derr mit mir auf eine Linie, dem Kriegsministerium nicht mitzuteilen, was wir erreicht hatten.
Wir mieteten für Jazzy ein Hotelzimmer und zahlten ihr ihre Prämie aus. Derr besuchte sie in der nächsten Woche täglich, bis sie sich vollkommen von der Geburt erholt hatte. Sobald sie aus dem Haus war, heuerte ich eine Krankenschwester an, die sich um dich kümmern sollte.
Nach reiflicher Überlegung beschlossen wir, es sei für dich wohl das Beste, wenn wir dich zur Adoption freigeben würden. Deswegen setzten wir dich am St. Francis Waisenhaus in Queens aus. Den Rest der Geschichte kennst du. Du wurdest sofort von Jonah und Emma Stevens adoptiert, die mit dir nach Long Island zogen. Wir meldeten Colonel Laughlin einen vollkommenen Fehlschlag, lieferten eine getürkte Dokumentation unserer Experimente ab, und dann wurde uns mitgeteilt, dass Projekt Genesis abgeschlossen sei.
Damit sollte eigentlich alles erledigt sein.
Ich konnte dich jedoch nicht loslassen, Jim. Ich musste immerzu an dich denken. Ich musste wissen, wie es dir ging, was aus dir wurde. Das wurde bei mir zu einer so starken Marotte, dass ich 1943 das Haus in Manhattan verkaufte und nach Monroe zog, wo ich diese alte Villa erwarb. Ich trieb mich immer in der Nähe des Wohnblocks herum, in dem die Stevens zunächst wohnten. Wenn Emma dich mit zum Einkaufen nahm, dann hängte ich mich an euch dran und kaufte selbst irgendetwas ein. Ich achtete immer darauf, wie es dir ging und ob sie dich auch gut behandelten – dass sie mich gut behandelten.
Und ich muss zugeben, dass auch ein wissenschaftliches Interesse da hineinspielte. (Sei nicht beleidigt. Einmal ein Wissenschaftler, immer ein Wissenschaftler.) Ich hatte eine Möglichkeit, meine Neugier bezüglich der Problematik der angeborenen und der anerzogenen Charaktereigenschaften zu befriedigen: Was formt uns mehr, die Umgebung oder die Vererbung? Ich war in einem großbürgerlichen Umfeld groß geworden und hatte, auch wenn ich die körperlichen Anlagen dazu hatte, mich nie für Sport interessiert. Du warst mit mir in genetischer Hinsicht zwar identisch, aber du bist in einem Haushalt groß geworden, wo ich mir nicht vorstellen kann, dass überhaupt jemand jemals ein Buch aufgeschlagen hat. Dementsprechend bist du dann ein Football-Star geworden. Ich dachte, damit wäre die Frage beantwortet, aber andererseits hast du dich in der Highschool hervorragend gehalten, warst Redakteur der Schulzeitung, bekamst ein Stipendium für die Uni und machst jetzt, wie ich höre, deinen Abschluss in Journalismus. Ich erinnere mich noch daran, welches ausgeprägte Interesse ich während meiner Schulzeit am Schreiben hatte.
Was habe ich also von all den Jahren, in denen ich meinen Klon beobachtet habe? Verwirrung. Ich habe heute mehr Fragen als damals, als ich begann.
Klingt das kalt und zynisch? Ich hoffe nicht. Noch mehr hoffe ich aber, dass du diese Seiten nie zu lesen bekommst. Derr und ich haben eine Vereinbarung getroffen. Wir beide sind die einzigen, die die Kombination für den Safe kennen, in dem diese Unterlagen aufbewahrt werden. Wir reisen niemals zusammen. Wenn einer von uns stirbt, übergibt der andere die Unterlagen der Anwaltskanzlei, die uns schon seit sehr vielen Jahren vertritt. Die Kanzlei bekommt den Auftrag, die Existenz dieser Papiere so lange geheim zu halten, bis du stirbst. Danach werden sie veröffentlicht. Dich können sie dann nicht mehr verletzen. Wer weiß? Vielleicht ist Klonen bis dahin eine übliche Praxis geworden. Wenn das so ist, umso besser. Derr und ich, wir werden dann in unseren Gräbern lächeln und wissen, dass die akademische Welt uns als die Pioniere auf dem Gebiet anerkennen muss.
Ich weiß, das alles ist ein
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