Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
natürlich.«
»Und was tun wir jetzt?«
»Taste dich mit den Händen an den Wänden entlang. Achte auf Vibrationen. Wenn etwas sehr nahe ist, sollten wir das fühlen können.«
»Und wenn ich etwas merke – was dann?«
»Ich weiß es nicht, aber wenigstens wissen wir dann, von wo wir uns fernhalten sollten.«
»Na gut«, sagte Gia langsam. Die Idee klang verrückt, aber – es war ja nicht so, dass sie etwas anderes zu tun hatte. »Ich werde es versuchen.«
Sie begann an der Einstiegsluke und bewegte sich von da nach rechts, wobei sie mit den Händen den Beton abtastete. Die ganze Wand schien zu zittern. Wie sollte sie einen Punkt finden, der mehr als die …
»Oh Gott!«, rief sie, als sie einen Punkt fand, der unter ihren Händen zu beben schien. »Hier passiert etwas!« Sie drückte fester zu. »Ich glaube …«
In diesem Moment explodierte die Wand auf einer etwa basketballgroßen Fläche und überschüttete sie mit grauem Pulver und Betonstückchen.
Gia schrie auf und stolperte nach hinten, als sich eine weiß glänzende, spitz zulaufende Schnauze aus der Wand schob. Reihum kreisrunde Reihen schwarzer Zähne verliefen um das Maul in der Mitte herum und nagten und nagten, während der Kopf hin und her zuckte und an allen Seiten der Öffnung gleichzeitig den Beton abraspelte. Irgendwo hinter sich hörte Gia Vicky schrill aufschreien.
Eine Bewegung von rechts – Abe bewegte sich schneller, als sie es ihm je zugetraut hätte. Er trat direkt vor die Kreatur und rammte ihr eine seiner Pumpguns in die Maulöffnung, dann bediente er den Abzug. Ein gedämpftes ›Wumm‹, als er von dem Rückstoß zurückgeschleudert wurde, dann schoss er erneut.
Das Ding zuckte und bäumte sich auf und verkroch sich in seinen Gang zurück, wobei dickflüssiger gelber Schleim aus seinen Wunden floss.
»Haltet euch die Ohren zu, Ladys!«, rief Abe.
Gia gelang es kaum, die Handflächen über die Ohren zu legen, um den donnernden Knall zu dämpfen, als Abe noch zweimal in die Öffnung feuerte.
Dann wich er zur Mitte des Raumes zurück und drehte sich langsam einmal um die eigene Achse. Seine Lippen bewegten sich. Gia nahm die Hände von den Ohren, um ihn zu verstehen.
»Sind da noch welche, Gia? Ich höre nichts. In meinen Ohren klingelt es.«
Gia rappelte sich auf und lauschte. Sie hörte Vicky weinen, aber das Schaben hatte aufgehört.
»Ich höre nichts mehr. Meinst du … Glaubst du, du hast sie verscheucht?«
Er schüttelte den Kopf. »Den einen habe ich verletzt. Aber die anderen … Ich kann mir nur vorstellen, dass es am Licht liegt. Es dämmert und sie sind da hin, wo sie sich aufhalten, wenn es draußen hell ist.«
Gia hastete zu Vicky, die zitternd auf dem Bett lag, und schlang die Arme um ihre bebenden Schultern. Sie sah, wie Abe da einsam mit der Pumpgun stand. Er konnte sie nicht ganz allein beschützen. Und Jack würde nicht kommen.
Sie traf eine Entscheidung.
»Abe … Weißt du noch, dass du mir angeboten hast, mir das Schießen beizubringen?«
»Ja?«
»Ich werde das Angebot annehmen.«
Sein Gesicht hellte sich auf. »Wirklich?«
Sie nickte. »Ich muss imstande sein, das zu tun, was du gerade getan hast.«
Donnerstag
Das Haus am Ende der Straße
Monroe, Long Island
»Bist du sicher, das ist der Weg, den er beschrieben hat?«
Jack hielt Glaekens alten Mercedes mitten auf der Straße an und spähte in das Dämmerlicht hinaus. Bill Ryan saß auf dem Beifahrersitz und hatte sich zwei Schrotflinten zwischen die Beine geklemmt. Die beiden Halsketten und die Metallteile lagen in einem Holzkästchen zwischen ihnen.
Bill konzentrierte sich auf die hastig hingekritzelten Notizen in seiner Hand.
»Ganz sicher.«
Jack hätte bei dieser Aufgabe lieber Ba dabeigehabt, aber Bill schien heute wie ausgewechselt. Er hatte eine merkwürdig abgeklärte Aura um sich herum, die Jack seltsam beruhigend fand.
Und er musste wirklich beruhigt werden, zum Teufel. Er sollte unterwegs nach Westen statt nach Osten sein. Gias Stimme heute Morgen klang anders. Sie sagte, sie hätten eine ruhige Nacht gehabt … Warum fiel es ihm so schwer, ihr das zu glauben?
Und dann hatte es ewig gedauert, sich einen Weg durch das Chaos in und um die Stadt herum zu bahnen.
»Du bist in Monroe aufgewachsen?« Nicht dass es ihn interessierte, aber die Frage überbrückte die Stille.
»Ja. Aber in all den Jahren war ich nie hier draußen. Ich glaube nicht, dass ich überhaupt wusste, dass hier noch etwas ist. Wir sind mitten im
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