Wie angelt man sich einen Daemon
ich. Dann blickte ich erneut auf die Zeichnung und drehte sie so, dass ich sie aus einem anderen Blickwinkel betrachten konnte. »O ja!«, rief ich begeistert. »Von der einen Seite konnte ich es nicht genau sehen, aber jetzt ist es klar: Es ist ein Zug! Ein ganz toller Zug.«
Timmy grinste zufrieden und nickte mir wohlwollend zu. »Für dich, Mami.«
»Vielen Dank, Liebling. Wie wunderbar.« Ich ging in die Hocke und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Du bist ein richtiger kleiner Maler. So ein guter Junge.«
Das war er auch. Ich hatte ihn, nachdem ich Cutters Studio verlassen hatte, in Frans Wohnung abgeholt, und wir waren in die Schule gefahren, denn ich wusste, dass Allie zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Sportplatz bei ihrem Cheerleader-Training sein würde. Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen, aber ich wollte dringend allein mit David über die plötzliche Zunahme dämonischer Aktivitäten sprechen. Dabei hatte Allie nichts verloren.
»Schon drei Dämonen«, sagte ich und kehrte damit zum Thema zurück. »Und noch immer wissen wir nicht, was sie eigentlich wollen. Klar – einen Stein. Aber welchen Stein? Und wo wird Andramelech gefangen gehalten? Weshalb hat dich der Dämon am Leben gelassen, der dich in deiner Wohnung angegriffen hat? Und warum hat mich auch einer attackiert? Ich habe schließlich keinen Stein.«
»Wohl wahr«, sagte er. »Vielleicht wird Andramelech im Eckstein einer Kirche oder so gefangen gehalten.«
»Vielleicht sogar in unserer Kathedrale«, fügte ich nachdenklich hinzu. Mir gefiel es, dass wir endlich anfingen, ein paar konkrete Gedanken zu äußern. »Möglicherweise ist der Stein ja auch Teil eines Rituals.«
»Du meinst, so etwas wie ein Runenstein? Ein Blutstein, den man an eine bestimmte Stelle legen muss, wenn Vollmond ist?«
»Und dann tanzen die Dämonen nackt um ihn herum und opfern ihm eine Jungfrau«, fügte ich hinzu.
»So in etwa«, meinte er schmunzelnd. »Klingt plausibel genug.«
»Es ist aber nur eine Theorie. Und solange wir nicht wissen, um welche Art von Stein es sich tatsächlich handelt, bleibt alles nur Spekulation.«
»Vielleicht ist es ja auch irgendeine Art von Reliquie«, schlug David vor.
»Möglich«, erwiderte ich. Das wäre nicht das erste Mal gewesen. Reliquien – wie zum Beispiel die Knochen von Heiligen – werden oft von Dämonen im Rahmen irgendwelcher Rituale geschändet.
»Father Ben hat wahrscheinlich bereits selbst an diese Möglichkeit gedacht. Aber du solltest ihm trotzdem davon erzählen, wenn du das nächste Mal mit ihm sprichst«, meinte David.
»Das werde ich«, entgegnete ich. »Und auch wenn es mir nicht gefällt, werde ich mir noch einmal die Listen der Nachlässe ansehen, die das Kirchenkomitee erstellt hat. Ich sollte diese Woche sowieso ein paar Stunden dort unten im Staub verbringen.«
Die Kartons mit den Geschenken und Spenden an die Gemeinde rochen ziemlich alt und staubig. Als ich sie früher einmal durchsucht hatte, war mir dabei einiges an Krabbelzeug über den Weg gelaufen, so dass mir die Vorstellung, das noch einmal machen zu müssen, gar nicht behagte.
Ich presste die Finger gegen meine Schläfen und schloss für einen Moment die Augen. Es wäre einfach zu schön gewesen, wenn es zur Abwechslung einmal eine leichte Lösung für ein Problem gegeben hätte. »Unsere Schwierigkeit besteht darin, dass es einfach zu viele Möglichkeiten gibt und wir nicht wissen, welche die richtige sein könnte«, erklärte ich. »Im Grunde brauchen wir Nadia Aiken.«
»Wen?«
»Eine Jägerin, von der mir Father Ben erzählt hat«, sagte ich.
»Und sie heißt Aiken?«
»Genau. Warum?« David wirkte auf einmal nachdenklich. »David? Was gibt es?«
»Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor«, meinte er. »Aber es fällt mir gerade nicht ein, wieso. Mist.« Er schüttelte den Kopf wie ein Hund, der versucht, sich zu trocknen. »Sprich nur weiter. Was ist mit ihr?«
»Hat es irgendetwas mit unserem Fall zu tun?«, fragte ich, denn ich war neugierig geworden. »Vielleicht etwas mit einem Stein? Oder mit Andramelech?«
»Ich habe doch schon gesagt, dass ich mich nicht erinnern kann«, entgegnete er. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendetwas damit zu tun haben könnte. Von Andramelech hatte ich zuvor noch nie gehört, und ich kann mich auch an keinen Auftrag erinnern, bei dem ein Stein eine Rolle gespielt hätte.«
»Und die Jägerin? Father Ben meinte, dass sie Andramelech jagte und dann vor etwa fünf
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