Wie angelt man sich einen Daemon
Offensichtlich fiel es ihr ganz und gar nicht leicht, über dieses Thema zu sprechen.
Erneut nahm ich ihre Hände in die meinen und schüttelte dann wieder sanft den Kopf. »So funktioniert die Welt nicht, Allie. Wir können nicht Gott spielen, Liebling.« Ich drückte unsere Hände vorsichtig auf ihr Herz. »Das weißt du doch – nicht wahr?«
Sie nickte.
»Aber ich werde dir versprechen, vorsichtig zu sein. Okay?«
»Okay, Mami.« Sie nagte an ihrer Unterlippe. Offenbar wollte sie noch etwas hinzufügen.
»Was gibt es noch, Allie? Du willst doch noch etwas loswerden.«
»Mr. Long hilft dir – nicht wahr? Du bist also nicht allein. Er hilft dir und hält dir den Rücken frei und so. Stimmt doch – oder?«
Ich dachte an David, und wie wir nachts durch die Straßen patrouillierten. Wie er mich tatsächlich beschützte und wie besorgt er sich um die Kinder gezeigt hatte.
»Mami?«
»Natürlich, Schatz. David wird mir auch weiterhin helfen und mir den Rücken freihalten.«
»Und Eddie?«
Es gelang mir, nicht zu lächeln. Eddie hatte mir schon mehrmals klar und deutlich erklärt, dass er nicht mehr mitmachen wollte. Doch seiner vermeintlichen Urenkelin konnte er bestimmt keinen Wunsch abschlagen. »Am besten fragst du ihn selbst. Wenn du ihn fragst, bin ich mir sicher, dass er helfen wird.«
»Und ich? Ich will auch helfen.«
»Allie…« Ich bemühte mich, meine Stimme nicht allzu scharf klingen zu lassen. »Haben wir das denn nicht bereits…«
»Ja, schon klar. Das habe ich verstanden. Ich meine damit, was du vorher gesagt hast. Zeitungen lesen und so. Meine Augen aufhalten und sehen, ob ich irgendwelche unheimlichen Typen bemerke.«
»Ehrlich gesagt, finde ich es momentan wichtiger, dass du erst einmal lernst, dich richtig zu verteidigen. Mit der Schule und dem Training hast du genügend zu tun. Das wird deine ganze Zeit in Anspruch nehmen.«
»Aber wenn ich alles rechtzeitig schaffe? Dann darf ich dir doch helfen – oder? Bitte, Mami!«
Ich sah ihr in die Augen und wusste, dass ich ihr diese Bitte nicht abschlagen konnte. Auch zu Allies Leben gehörte jetzt die Dämonenjagd, und sie würde so lange keine Ruhe geben, bis sie mir helfen durfte. Ich wusste das, weil ich mich in ihrem Alter ganz genauso gefühlt hatte.
»Die Schule hat Vorrang.«
»Natürlich, voll klar«, antwortete sie und legte zwei Finger über ihr Herz. »Also, dann erzähl.« Sie sah so wissbegierig und eifrig aus, dass ich lachen musste.
»Später«, versprach ich ihr.
»Aber Ma-ma! Du weißt doch, dass ich keine Ruhe geben werde! Bitte! Bitte, bitte!«
»Also gut«, entgegnete ich. »Aber fürs Erste muss die Kurzversion reichen.« Ich erzählte ihr von Andramelech und Nadia und erklärte ihr, dass Einzelheiten später folgen würden. »Bis dahin könntest du, wenn du etwas Zeit hast, alles über Dämonen herausfinden. Oder du kannst sehen, ob du irgendetwas über Nadia im Internet findest. Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber…«
»Klar, das würde ich voll gern machen.«
»Gut«, sagte ich und stand auf. »Und jetzt solltest du schlafen.«
»Aber was ist mit Daddy?«
»Was soll mit ihm sein?«, fragte ich.
»Du erlaubst mir doch noch immer, dass ich auch Nachforschungen über ihn anstelle – oder? Ich will herausfinden, was mit ihm geschehen ist.«
»Ja, Liebling, das darfst du. Aber auch hier gelten die gleichen Regeln. Die Schule…«
»Kommt zuerst. Ich weiß. Schon verstanden.«
»Dann ist es ja gut«, erwiderte ich und unterdrückte ein Lächeln.
»Mami?«
»Was, Schatz?«
»Du liebst Daddy doch noch immer – oder?« Das war eine Frage, die sie mir schon einmal gestellt hatte. Mein Herz krampfte sich zusammen, als mir klar wurde, dass sie das anscheinend in Zweifel zog.
»Allie, Liebling. Ich werde deinen Vater immer lieben, ganz egal, was passiert.«
»Ganz egal, was wir herausfinden?«
»Ganz egal«, antwortete ich.
Sie nickte und dachte einen Moment nach. »Mami?«, fragte sie erneut.
Ich streckte die Hand aus und strich ihr über das Haar. »Was, Liebling?«
»Ich liebe dich.«
Bei diesen Worten ging mir das Herz auf. »Ich liebe dich auch. Mehr als alle Sterne am Himmel«, fügte ich hinzu und bezog mich dabei auf ein früheres Ritual beim Schlafengehen, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war.
»Und alle Engel im Himmel«, antwortete sie, und auf einmal sah ich das kleine Mädchen von früher in ihrem Schlafanzug vor mir auf dem Bett liegen – an jener Stelle, wo
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