Wie ausgewechselt
nur noch 12 000 Fans ertragen. Das Schlimmste: Zuvor war bekannt geworden, dass Torjäger Klaus Fischer, eines der letzten Schalker Idole jener Tage, nach Köln wechselt. Wegen seiner Verletzung hatte er die Europameisterschaft 1980 – und damit den Titelgewinn der Nationalelf – verpasst, nun fürchtet der Mittelstürmer um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1982 in Spanien. »Wenn Schalke absteigt, muss ich gehen, sonst ist meine internationale Karriere zu Ende«, erklärte er.
»Während des Köln-Spiels skandiert die Nordkurve in Halbzeit eins ›Fischer raus! Judas raus!‹ – immer wieder. Es wird von Minute zu Minute unerträglicher. Der 0 : 2-Rückstand tut sein Übriges dazu. Als ich in die Kabine komme, sitzt Fischer da wie ein Häuflein Elend, mit den Nerven am Ende. Er war deprimiert. Ein Kerl, der nie zimperlich oder übersensibel war, erlebte gerade einen der bittersten Augenblicke seiner Karriere. Ich ging auf ihn zu, sagte: ›Klaus, es ist deine Entscheidung, ob du dir das noch antun willst, ob du in der zweiten Halbzeit da noch einmal rauswillst.‹ Er nickte nur, ich hatte verstanden und habe ihn ausgewechselt. Das hatte der Klaus nicht verdient. Gelsenkirchen war für den gebürtigen Niederbayern zur Heimat geworden, elf Jahre hatte er für Schalke die Knochen hingehalten, 182 Tore erzielt und war zum Liebling der Fans geworden. Es sollte eine vernünftige Verabschiedung werden im Parkstadion. Schließlich hatte er dem Verein selbst im fortgeschrittenen Fußballeralter von 31 Jahren noch eine Million Mark an Ablöse gebracht.«
Assauer holt bei seinem Rettungsversuch in drei Spielen nur einen Punkt – und sich selbst königsblaue Flecken. Eine groteske Situation: Gerade noch hat er Werder Bremen erfolgreich als Managertrainer in die Bundesliga zurückgeführt, da findet er sich sofort im Alltag der Zweiten Liga wieder – als Sanierer. Er verpflichtet als neuen Trainer seinen ehemaligen Mitspieler und Helden von Glasgow 1966, Siegfried Held. Die Situation ist heikel: Der Ex-Dortmunder Assauer holt den Ex-Dortmunder Held auf die Schalker Bank. Assauer hat nur eine Chance, denn der direkte Wiederaufstieg ist Pflicht.
Wieder ist es sein Job, eine Mannschaft umzukrempeln, und erneut nahezu ohne jeglichen finanziellen Spielraum. Der Österreicher Kurt Jara und der Jugoslawe Vilson Dzoni werden aussortiert. Neuzugang Norbert Janzon vom Meister FC Bayern München wird von Assauer zum neuen Schalker Kapitän gemacht. Volker Abramczik tritt mit 17 Jahren in die Fußstapfen seines älteren Bruders Rüdiger. Stimmt nun die Mischung aus Routiniers und jungen Spielern? Assauer greift durch, will Klarheit, auch im Betreuerstab. Charly Neumann muss als Mannschaftsbetreuer seine Koffer packen, auf der Bank sitzen neben Trainer Sigi Held ab sofort nur noch der Mannschaftsarzt, ein Masseur und Assauer selbst. Und der Neustart glückt. Am 1. August 1981 besiegt Schalke Mitabsteiger TSV 1860 München mit 3 : 1, immerhin 35 000 Neugierige sind ins Parkstadion gekommen. Drei Tage später bei Hertha BSC Berlin die erste Niederlage, wieder zehn Tage darauf der erste Auswärtssieg. Ein Auf und Ab, bis man ab dem neunten Spieltag fünfmal hintereinander gewinnt und insgesamt 13 Partien ungeschlagen bleibt. Das Duo Held/Assauer funktioniert, und Schalke wird Herbstmeister. Zum festlichen Weihnachtssingen im Stadion kommt Gotthilf Fischer mit seinen Chören.
Da die Rückkehr in die Bundesliga fest eingeplant war und von den Fans zuvor als reine Pflichtübung abgetan wurde, fällt der Jubel entsprechend nüchtern aus. Auch bei Assauer herrscht eher Erleichterung als Freude vor, als am 13. Mai 1982 der Wiederaufstieg perfekt gemacht wird. Wattenscheid siegt bei Kickers Offenbach 4 : 1, und Schalke schlägt Wormatia Worms 4 : 0 im Parkstadion. Etwas Euphorie kommt dann zumindest beim letzten Heimspiel gegen Fürth auf. Zur Aufstiegsparty pilgern 60 000 Fans ins Parkstadion, und gefeiert wird nach Hausmannsart des Ruhrgebiets: bei Bier, Korn und Bratwurst. Moderator Wim Thoelke führt durchs Programm, Friedenstauben werden in die Luft gelassen, Fanclubs dürfen sich bei einem Umzug auf der Tartanbahn im weiten Rund des Stadions präsentieren. Das sportlich unbedeutende Spiel endet 3 : 3. Nach Ende der 90 Minuten stürmen die Fans das Spielfeld und feiern dann doch ausgelassen den Zweitligameister. Es darf geträumt werden, auf einem Plakat ist zu lesen: »Deutscher Meister 1982/83«. Schalker Träumereien, aber
Weitere Kostenlose Bücher