Wie ausgewechselt
Stuhl.« Nachdem das Missverständnis geklärt ist, stimmt Sanders zu. Auf 70 Quadratmetern ist daher seit 2001 Platz für Taufen oder kirchliche Trauungen unweit der Spielerkabinen in den Katakomben. »Wenn Menschen in unserer Stadt in Not sind, wenden sie sich entweder an die Kirche oder an Schalke 04. Mit der Kapelle und der möglichst häufigen Anwesenheit eines Seelsorgers wollen wir die ser Aufgabe gerecht werden«, sagte Schalke-Geschäftsführer Peter Peters damals. Bei der Gestaltung der Kapelle wird bewusst auf die Vereinsfarben Blau und Weiß verzichtet, es soll ja kein Tempel des Aberglaubens entstehen. Der Gottesdienstraum ist schlicht gestaltet mit einem einfachen Glastisch als Altar, alles in dezentem Schwarz und Weiß. Die Zeichnungen an den Wänden im Eingangsbereich haben den Zweikampf zum Thema, etwa biblische Zweikämpfe wie zwischen Kain und Abel oder David und Goliath.
»Da sind sogar Mischehen geschlossen worden – zwischen Schalkern und Dortmundern. Tatsächlich war es ein Wahnsinn, wie diese Einrichtung wahrgenommen wurde. Wir hatten pro Jahr etwa 50 Anrufe, da fragten junge Leute, ob sie sich auf dem Spielfeld das Jawort geben können. Jedes Jahr kamen rund 100 Väter auf die Geschäftsstelle, um ihr Neugeborenes als Mitglied anzumelden. Schalke ist eben auch Religion. Eine Fanzeitschrift heißt tatsächlich Schalke unser . Den früheren Rechtsaußen Rüdiger Abramczik riefen die Anhänger in den 70er-Jahren ›Flankengott‹. Und ich kann mich noch gut erinnern: Als die Zeugen Jehovas Ende der 60er-Jahre in der Gelsenkirchener Innenstadt mit dem Slogan ›An Jesus kommt keiner vorbei‹ für ihre Zeltmission warben, kritzelten Schalke-Fans auf deren Plakate: ›Außer Stan Libuda!‹. Der Schalke-Fan ist so verrückt. Zum Glück.«
Nach drei Jahren Bauzeit ist die Arena AufSchalke dann fertig, vom europäischen Fußballverband UEFA bekommt das Stadion die Höchstnote: fünf Sterne. Zur Eröffnung findet am 13. und 14. August 2001 eine zweitägige Feier statt. Der 1. FC Nürnberg, zu dem die Schalke-Fans traditionell eine Freundschaft pflegen, und Erzrivale Borussia Dortmund werden zu einem Blitzturnier eingeladen. Ihre Bundesligapremiere erlebt die Arena vier Tage später. Schalke spielt 3 : 3 gegen Bayer Leverkusen. Als erster Torschütze in einem Pflichtspiel geht der Schalker Tomasz Hajto in die Stadionannalen ein.
»Der schönste Moment war für mich die Eröffnungsfeier. Zum ersten Mal konnten wir die Fans im Stadion begrüßen. Als ich in die strahlenden Gesichter schaute und diese wahnsinnige Akustik vernahm, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ein erhebender Moment für uns alle, die wir daran gearbeitet hatten. Ich wollte erst nicht da runter auf den Rasen, habe den Fans dann über das Stadionmikrofon zugerufen: ›Die Arena habe ich für euch gebaut.‹«
Der Plan von Assauer und Sanders geht auf. In der Folgezeit finden in der Multifunktionsarena zahlreiche Konzerte statt, American-Football-Spiele, Boxevents, Motorrad-Action, eine Handballpartie und das Eröffnungsspiel der Eishockey-WM 2010 in Deutschland mit einem Zuschauerweltrekord für diese Sportart mit 77 803 Zuschauern. Der ausgefallenste Event: Biathlon-Wettbewerbe, seit 2002 wird jedes Jahr im Dezember die World Team Challenge, eine Mixed-Staffel, ausgetragen. Die Idee hierfür kommt Assauer in Ruhpolding.
»Als ich dort eines Tages zu Gast bei einer Weltcup-Veranstaltung war, habe ich vor Ort an den Zufahrtsstraßen, im Wagen sitzend, Strichlisten geführt: Wer kommt woher? Welche Kennzeichen sind vertreten? Das Ergebnis war: Der überwiegende Teil der Fans kam extra aus dem Ruhrgebiet angereist – und nicht aus dem Süden, aus Bayern, dem Wintersport-Bundesland. Leck mich in de Täsch, dachte ich mir, also muss der Biathlon zu den Fans, in die Arena.«
All die Veranstaltungen helfen natürlich bei der Refinanzierung, und das Konzept mit rund 40 Veranstaltungen pro Jahr geht mustergültig auf. »Schon bei den Kosten sind wir genau im Plan gewesen«, sagt Sanders, der mittlerweile im Ruhestand ist, »außerdem ist es im Prozess der gesamten Arena zu keinen juristischen Schwierigkeiten gekommen. Darauf bin ich sehr stolz. Trotz all der Projekte in meiner Heimat, den Niederlanden, ist dieses Stadion mein größtes Werk gewesen. Das lag auch an der Zusammenarbeit mit Rudi. Wir haben konzentriert gearbeitet, hatten aber immer viel Spaß bei den Gesprächen. Wenn es Probleme gab, haben wir diese offen
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