Wie Blueten Am Fluss
glaube, das müßtest du mittlerweile wissen. Wenn es dich quält, daß
du dünn oder schwach bist, glaub mir, wenn ich dir sage, daß das für mich einfach keine Rolle spielt.
Ich will dich genauso, wie du bist! Und falls du dich nach unserer Heirat immer noch geschwächt fühlen solltest, sei versichert, daß meine Kraft für uns beide ausreicht. Ich würde dir niemals weh tun und dir beistehen, wann immer du mich brauchst. Ich bitte dich also inständig, meine liebe Shemaine, mich als Verehrer zu betrachten, der nichts sehnlicher wünscht, in jedem Sinne des Wortes dein
Ehemann zu werden.«
»Sie verstehen es, ein Mädchen zu überrumpeln, Mr. Thornton«, hauchte Shemaine, die sich kaum
bezähmen konnte, sich nicht seinen wunderbar geformten Körper in scharfem Kontrast zu ihrer
eigenen, dünnen Gestalt vorzustellen. Bilder, wie sie beide zusammen im Bett lagen, stürmten auf sie
ein und waren bei weitem sinnlicher, als sie freiwillig zugegeben hätte. Jetzt, da sie einen nackten
Mann selbst gesehen und bewundert hatte, wurden die recht verlegenen Erklärungen ihrer Mutter bezüglich der Dinge, die sich zwischen Ehemann und Ehefrau abspielten, sehr viel klarer und umfassender in ihren Gedanken.
Gage hob die Hand und strich sanft über ihre geröteten Wangen. »Willst du meine Frau werden,
Shemaine?«
Shemaine dachte an all den Pomp, der sie umgeben hatte, als Maurice du Mercier ihr eine solche Frage
stellte. Aber sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, daß ihr Herz gar so
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wild in ihrer Brust gehämmert hatte, wie es das jetzt nach dem einfachen, aber unwiderstehlichen
Antrag dieses Mannes tat. Sie dachte darüber nach, was die Ehe mit einem Siedler bedeutete, darüber,
daß sie sich verpflichtete, weit über die sieben Jahre ihres eigentlichen Dienstvertrages hinaus bei ihm zu bleiben. Sie sehnte sich immer noch nach ihrer Familie. Aber aus Gründen, die gleichzeitig klar und mehrdeutig waren, konnte sie sich nicht mehr vorstellen, nach England zurückzukehren und dort einen wohlhabenden Mann zu heiraten. Es schien ihr passender, hier in den Kolonien zu bleiben und sich
mit dem Mann, der die Leidenschaft in ihr geweckt hatte, ein Zuhause zu schaffen. Wenn sie ihn im
Augenblick auch noch nicht liebte, so begehrte sie ihn jedoch gewiß, und sie konnte nicht weiter im
selben Haus mit ihm leben, ohne als Frau Erfüllung zu suchen. Es war bei weitem besser, ihn zu
heiraten, als während der nächsten sieben Jahre zu versuchen, ihrem Verlangen Zügel anzulegen.
Shemaine nickte langsam. »Ja, Mr. Thornton, ich will Ihre Frau werden... in jedem Sinne des Wortes.«
Gage fühlte sich plötzlich schwindelig und erregt. »Wir können in Williamsburg heiraten«, sagte er
leise. »Bis dahin wird deine Verletzung schon weitgehend verheilt sein, und wir können am Abend
zurückkehren und unsere Hochzeitsnacht hier in der Hütte verbringen.«
Trotz ihrer Bemühungen, ruhig und gelassen zu wirken, lag in ihrer Stimme ein vernehmliches Beben.
»Ganz, wie Sie es für das beste halten, Mr. Thornton.«
Gage legte eine Hand unter ihr Kinn und streifte ihre Lippen mit einem sanften, zärtlichen Kuß, als
hätte er Angst, ihr mit etwas Leidenschaftlicherem wehtun zu können. Als er sich zurückzog,
erkundete er mit leuchtenden Augen ihr Gesicht. »Solltest du jetzt nicht langsam darüber nachdenken,
mich Gage zu nennen?« flüsterte er. »Schließlich werde ich bald dein Mann sein.«
»Gage.« Mit einem zittrigen Seufzer sprach sie zum ersten Mal seinen Vornamen aus, und er senkte
abermals seine Lippen auf die ihren, aber diesmal nahm sein Mund in verzehrender Glut von dem
ihren Besitz. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, bis sich durch ihren
Körper abermals heiße Lava ergoß. Seine Zunge glitt mit aufreizender Kühnheit zwischen ihre Lippen
und eroberte die warme Höhle ihres Mundes mit einer besitzergreifenden Unersättlichkeit, die ihre
Sinne in helle Flammen setzte und die Erinnerung an einen Abend weckte, der noch nicht lange der
Vergangenheit angehörte. Mit einem Mal konnte sie es kaum erwarten, daß die nächsten Wochen
vergingen.
»Papa, Andy muß Pipi!« rief Andrew plötzlich und riß sie damit genauso wirksam auseinander, wie
ein Eimer kalten Wassers dies vermocht hätte. Der Junge war schon in den Flur gestürmt und hüpfte
dort in ängstlicher Not auf und ab. Gage stöhnte, nahm ihn auf den Arm und eilte durch die Hintertür
ins Freie, während Shemaine
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