Wie Blueten Am Fluss
gefunden hab', wird es dir bitter leid tun, daß du mir in die Quere gekommen bist. Wenn ich mit dir fertig bin, wird dieser hübsche Bursche da dich nicht mehr haben wollen.«
Die blitzenden Dolche, die das Flittchen durchbohrten, straften die Sanftheit in Shemaines Worten
Lügen. »Ich hoffe, es wird dich nicht allzusehr überraschen, Morrisa, wenn ich es Mr. Thornton
wissen lasse, daß du mich bedroht hast.«
Morrisa fauchte Shemaine, die sich an ihr vorbeischob, einen wütenden Fluch hinterher. Das Scheitern
ihrer Versuche, das Irenweib zu töten oder zumindest doch schwer zu verstümmeln, erzürnten sie nun
um so mehr, als offenkundig wurde, daß die Rothaarige den besten Käufer anzog. Ein vernarbtes
Gesicht hätte dem hübschen Burschen das Mädchen gewiß verleidet.
James Harper hatte nicht einmal aufgeblickt, als Shemaine neben ihn trat. Das ganze Aufhebens um
diesen Siedler hatte seine Geduld inzwischen erschöpft; er brannte darauf, den Verkauf zum Abschluß
zu bringen, damit er sich an Land vergnügen konnte, denn es gelüstete ihn zunehmend nach einem
großen Humpen Bier. Nach einem letzten Blick auf seine Listen fragte er schroff: »Dein Name?«
»Shemaine O'Hearn.«
Beim Klang der samtenen Stimme warf er überrascht den Kopf herum. Der Name beschwor
verschiedene Bilder von einer schlanken rothaarigen Schönheit herauf, die er von ferne betrachtet und
aus der Nähe glühend bewundert hatte. Wenn es eine Gefangene an Bord gab, die er nur mit größtem
Widerstreben eine/n anderen Mann überlassen würde, dann war es dieses Mädchen, das in so
manchem Matrosen der London Pride Hoffnung und feurige Phantasien entfacht hatte. Selbst Kapitän Fitch war in das Mädchen vernarrt. Nur die verschwiegensten Mitglieder der Mannschaft wußten, daß seine Frau schon bald einen wirklich triftigen Grund zur Eifersucht auf das Mädchen haben würde.
Denn ihr Gemahl hatte vor, das Mädchen in einem nahe gelegenen Haus unterzubringen
und zu seiner Geliebten zu machen. Es behagte Harper keineswegs, für seinen Vorgesetzten ein
solches Arrangement zu treffen, aber er hatte in dieser Hinsicht einfach keine Wahl.
Nun wandte er sich in gedämpftem Tonfall an den Fremden. »Ich fürchte, an der da hätten Sie nicht
viel Freude, Sir«, riet er ihm; Kapitän Fitch hatte ihn eigens angewiesen, alle ernsthaften
Kaufinteressenten abzuweisen. »Sie hat eine scharfe Zunge, mit der sie einen Mann im Handumdrehen
mundtot macht. Fragen Sie den Kapitän und seine Frau, wenn Sie an meinen Worten zweifeln.«
Shemaine, die die Warnung des Bootsmanns mit angehört hatte, sah Harper mit einem ungläubigen
Blick an. Der Mann dachte gewiß an die Ereignisse jenes Tages, an dem er alle Gefangenen an Deck
versammelt hatte, damit sie die Auspeitschung Annie Carvers mit ansahen. Aber warum stellte er die
Dinge auf so furchtbar verzerrte Weise dar? An jenem Tag hatten sie zusehen müssen, wie die
neunschwänzige Katze den Rücken der zierlichen Frau aufriß; während die Peitsche sich in ihr Fleisch
schnitt, waren die anderen Sträflinge verwarnt worden, daß ähnliche Vergehen auf dieselbe Weise
geahndet werden würden. Ihr verwirrtes und fragendes Gemurmel hatte sich schnell in gestammelte
Entrüstung verwandelt, denn sie hatten nur zu gut gewußt, aus welchem Grunde Annie versucht hatte,
sich das Leben zu nehmen. Eine nach der anderen hatten sie sich zum Achterdeck umgedreht, wo der
Kapitän stoisch neben seiner hämisch grinsenden Frau stand. Shemaine erinnerte sich lebhaft an die
Verachtung, die wie saure Galle in ihrer Kehle aufgestiegen war, als ihr Blick sich auf diese beiden
geheftet hatte. Mit all der Leidenschaft, die sie von ihrem irischen Vater geerbt hatte, war sie auf den Lukendeckel geklettert und hatte das Paar für seine barbarische Behandlung Annies herrisch zur Rechenschaft gezogen.
Nun stellte Shemaine - mit beträchtlich geringerem Ungestüm, als sie noch vor drei Monaten an den
Tag gelegt hatte - den Bootsmann zur Rede. »Wollen Sie mir keine Chance geben, die Dinge zu
erklären, Mr. Harper?«
»Habe ich vielleicht nicht die Wahrheit gesagt?« fragte er zurück. Die ganze Angelegenheit
bekümmerte ihn zutiefst, denn er lief Ge-
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fahr, sie vollends gegen sich einzunehmen, indem er seinen Befehlen gehorchte. Der Gedanke, sie mit
diesem Mann davongehen zu lassen, behagte ihm genausowenig wie die Tatsache, daß der Kapitän sie
für sich haben wollte. Aber was blieb ihm schon zu
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