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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

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tun?
    »Sie haben mich zu Recht beschuldigt, Sir«, gab Shemaine mit scharfer Stimme zu. Mit hoch
    erhobenem Kopf begegnete sie seinem beunruhigten Blick. »Aber mit diesem Zwischenfall hatte es
    weit mehr auf sich, als Sie hier angedeutet haben. Mrs. Fitch' Vorgehen gegen eine trauernde Mutter
    war dasselbe, als hätte man eine Witwe ausgepeitscht, weil sie den Tod ihres Mannes beklagte. Und
    lediglich aus kaufmännischen Gründen hatte sie ein gewisses Interesse daran, daß Annie die Tortur
    überlebte. Aber Sie, Sir... konnten Sie Annie ihre tiefe Verzweiflung nicht nachfühlen, als sie
    versuchte, ihrem Leben ein Ende zu machen? Oder fehlt Ihnen so vollkommen jedes Mitleid, daß Sie
    den Schmerz einer jungen Mutter nicht begreifen können, der man ihr Kind geraubt hat? Oder haben
    Sie tatsächlich die Notwendigkeit gesehen, sie noch mehr zu bestrafen - mit der Peitsche?«
    »Es steht mir nicht zu, meinen Vorgesetzten den Gehorsam zu verweigern«, wandte Harper ein.
    »Genausowenig war es an mir, die Angelegenheit mit ihnen zu diskutieren.«
    »Also haben Sie mit Ihrem Schweigen die Auspeitschung gebilligt«, tadelte Shemaine ihn leise. »Wie
    ritterlich von Ihnen.«
    Harper lief dunkelrot an und mußte einsehen, daß ihre Argumente seine eigene Stellung erschüttert
    hatten. Ihre überzeugenden Einwände würden den Siedler gewiß für sie einnehmen. In der Hoffnung,
    jeden Gedanken an heldenmütige Tapferkeit zu zerstören, versuchte er, seine Behauptungen zu
    rechtfertigen. »Und dir stand es gewiß nicht an, den Kapitän oder seine Frau anzuklagen und die
    anderen Gefangenen zur Meuterei anzustacheln!«
    »Zur Meuterei?« Shemaine lachte ungläubig auf. »Sie haben lediglich ihre Einwände kundgetan.
    Glauben Sie mir, Sir, eine Meuterei lag nicht in ihrer Macht, nicht halb verhungert und von so viel
    Eisen niedergedrückt, daß sie sich kaum bewegen konnten...!«
    »Der Bootsmann hat recht, Meister«, mischte Morrisa sich ein, die sich inzwischen wieder
    vorgedrängt hatte. »Dieses Irrenflittchen ist ein gemeines, niederträchtiges Weib, jawohl. Hat mich
    mehr als einmal niedergestreckt, jawohl, und das, wo ich nicht mal wußte, was ich ihr getan hatte.«
    »Lügnerin!« kreischte Annie. Dann packte sie Morrisa am Arm, riß sie herum und ließ sie abrupt los,
    so daß die Hure blind in die Reihen der weiblichen Sträflinge taumelte.
    Wie in diesem Augenblick hatte Shemaine auch schon während der Überfahrt verschiedentlich über
    Annies Temperament nur staunen können. Zu Beginn der Reise war die Frau ihr wie eine furchtsame
    kleine Maus erschienen, aber seit dem schicksalsträchtigen Tag ihrer Auspeitschung war Annie kühner
    geworden, als hätte sie sich im stillen geschworen, Rache zu nehmen an jenen, die sie mißhandelt
    hatten. Auch schien sie Shemaine alle Widrigkeiten wiedergutmachen zu wollen, denen diese
    ausgesetzt war, nachdem sie zu ihrer Verteidigung die Stimme erhoben hatte. Tatsächlich hatte Annie
    ihre Dankbarkeit weit deutlicher gezeigt, als Shemaine das jemals von irgend jemandem erwartet
    hatte. Sie selbst hatte ihre Tat keineswegs für so großartig gehalten.
    Nun drehte Annie sich abermals um, um Gage Thornton einen schmutzigen Finger unter die edel
    geformte Nase zu halten. »Ausgepeitscht haben sie mich, auf Befehl von der Missus vom Käpten, aber
    Myliedy hat sie ein gemeines und herzloses Weib geschimpft...«
    »Jawohl! Und wir alle waren derselben Meinung wie Shemaine!« warf eine zahnlückige Alte ein.
    »Und obwohl uns Hände und Füße gefesselt waren, waren wir entschlossen, unsere Ketten zu
    zerbrechen und uns Geiseln zu nehmen, bis der Käpt'n bereit war, der Auspeitschung ein Ende zu
    machen.«
    Annie fuhr nachdrücklich mit ihrer Verteidigung Shemaines fort. »Und wir wollten protestieren, als
    Myliedy ins Kabelgatt gesteckt wurde, aber Shemaine hat uns gesagt, wir sollen uns um unsere eigene
    Haut kümmern. Sie hat geschworen, Mrs. Fitch zu zeigen, aus welchem Holz sie ist. Sie wird genauso
    rauskommen, wie sie reingegangen ist, hat sie gesagt...«
    Shemaine stöhnte innerlich, denn sie war überzeugt davon, daß ihre Freundin viel zu viele Worte über
    diesen Augenblick der Narretei machte. Sie hatte die Beherrschung verloren, mehr nicht.

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    »Bloß weil der Käpt'n ihre Strafe auf vier Tage verringert hat, statt sie vier Wochen ins Kabelgatt zu sperren, ist sie noch einmal mit heiler Haut davongekommen«, fügte Annie hinzu.
    In Wirklichkeit machten Annies

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