Wie Blueten Am Fluss
Ausführungen auf Gage Thornton kaum Eindruck. Er hatte sich
bereits vor einigen Sekunden entschieden, und zwar während der Auseinandersetzung zwischen
Harper und dem Mädchen. Ihre Verteidigung gegen die Anschuldigungen des Bootsmannes hatten
sowohl ihre Intelligenz als auch ihre Bildung verraten. Gage stellte erfreut fest, daß sie seine
Anforderungen zur Gänze erfüllte. Diese Tatsache ersparte ihm einen inneren Konflikt. Er hätte
wirklich nicht gern vor dem Dilemma gestanden, sie haben zu wollen, obwohl ihr die gewünschten
Qualifikationen fehlten.
Dennoch, er durfte nicht übereifrig scheinen, wenn er nicht einen übermäßigen Preis bezahlen wollte.
Er mußte mit den Groschen, die er verdient hatte, äußerst sorgsam umgehen, zumindest bis er den Bau
des von ihm selbst entworfenen Schiffes vollendet und einen Käufer dafür gefunden hatte. Obwohl er
fest entschlossen war, eines Tages ein reicher Mann zu werden, war er von seinem Ziel im Augenblick
noch weit entfernt. Da ihm aufgrund eines Zerwürfnisses mit seinem Vater jeder Zugang zu dessen
Vermögen verwehrt war, war er als armer Mann in die Kolonien gekommen. Daß er es überhaupt so
weit gebracht hatte, hatte er seinem Mut und seinem Verstand zu verdanken. Wenn er seinen Traum,
Schiffe zu bauen, hätte aufgeben können, würden die Möbel, die er und seine vier Angestellten in
seiner Tischlerwerkstatt herstellten, ihm ein hübsches und ausreichendes Einkommen garantieren, aber
genau da lag das Problem. Wie konnte man einen Ehrgeiz abschütteln, den man sein Leben lang mit
sich herumgetragen hatte?
»Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich mir das Mädchen einmal näher ansehe, nicht wahr,
Mr. Harper?« Gage zog mit einem Ausdruck zynischen Staunens eine Augenbraue hoch und rechnete
schon damit, daß der Bootsmann ihm seine Bitte abschlagen würde.
Harper machte ein finsteres Gesicht. Die Beharrlichkeit des
Mannes stellte sein Temperament auf eine harte Probe. »Nutzen wird es Ihnen aber nichts.«
»Warum nicht?« fragte Gage barsch. »Wenn ich bereit bin, hinsichtlich des Charakters des Mädchens
ein Risiko einzugehen, was könnte mich dann sonst daran hindern, sie zu kaufen?«
Als der Seemann daraufhin nur schweigend die Stirn runzelte und steif mit den Achseln zuckte,
wandte Gage sich mit einem knappen Nicken ab und ging an Annie vorbei auf Shemaine zu. Sie war
nicht gerade das sauberste Geschöpf, das er je gesehen hatte, und er mußte auch feststellen, daß sie
einen durchdringenden Geruch verströmte, aber die feurigen Lichter, die in diesen dunkelgrünen
Augen aufblitzten, belustigten ihn. Und das allein war ihm einiges wert. In Wahrheit hatte er das
Lachen seit dem Tod seiner Frau beinahe verlernt.
»Das Mädchen sieht halb verhungert aus«, bemerkte Gage und warf Harper einen herausfordernden
Blick zu. Er hatte Gerüchte über die schlimmen Entbehrungen gehört, die an Bord von
Sträflingsschiffen herrschten, und obwohl deren Kapitäne solche Geschichten als grobe Verzerrung
der Wahrheit abtaten, schien der beklagenswerte Zustand der Menschen an Bord dieses Schiffes diese
düsteren Berichte doch zu bestätigen.
Harper knirschte in wachsender Verärgerung mit den Zähnen. Wie beharrlich er sich auch gegen die
knappen Rationen für die Gefangenen ausgesprochen hatte, die Tatsache, daß ausgerechnet dieser
Siedler auf die Nöte der Sträflinge zu sprechen kam, fachte seinen Zorn um so mehr an, denn ihm war
gewiß, daß der Fremde versuchte, einen Streit vom Zaun zu brechen. »Es geht Sie nichts an, in
welchem Zustand sich das Mädchen befindet, Mr. Thornton. Wie ich Ihnen schon sagte, ich kann sie
Ihnen nicht verkaufen.«
»Sie wird schon wieder Fleisch auf die Knochen kriegen, Meister«, versuchte Annie, die sich neben
Shemaine gestellt hatte, Gage auf ihre impulsive Art zu überzeugen. »Wenn's Ihnen beliebt, ihr ein
bißchen was Gutes zum Essen zu geben, hat sie im Handumdrehen ihre Rundungen wieder.«
»Bist du wohl still, Annie!« Die smaragdfarbenen Augen blitzten vor Ärger. »Ich bin doch kein Stück
Vieh, das du verkaufen sollst.«
47
»Kannst du kochen?« fragte Gage.
Annie nickte und beeilte sich, für ihre Freundin zu antworten. »Natürlich kann sie das, Herr!«
»Willst du jetzt endlich den Mund halten!« flüsterte Shemaine wütend. Sie erinnerte sich nur allzugut
daran, wie unwillig sie der alten Köchin im Hause ihrer Eltern zugehört hatte, als diese ihr Vorträge
darüber
Weitere Kostenlose Bücher