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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

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hatte.
    Andererseits war er fest entschlossen, sich mit nichts Geringerem zufriedenzugeben als dem, was er
    sich als ideale Besetzung der Kindermädchenstelle vorgestellt hatte. Doch es wurde immer deutlicher,
    daß die Art Frau, nach der er suchte, an Bord eines Sträflingsschiffs nicht zu finden war.
    »Ich habe andere Qualitäten im Sinn als die, die Sie so großzügig zur Schau stellen, Miss Hatcher. Ich fürchte, Sie sind für meine Zwecke nicht die Richtige.«
    Morrisa quittierte diese Absage mit einem wissenden Nicken und mit einem höhnischen Lächeln:
    »Angst vor Ihrer Frau, wie?«
    Gage spürte, wie seine Kehle sich vor Empörung langsam zusammenzog. Diese Frau konnte natürlich
    keine Ahnung haben, was er seit Victorias Tod durchgemacht hatte, und keine noch so beißende
    Erwiderung würde es ihr begreiflich machen. »Pardon«, entgegnete er statt dessen nur knapp. »Meine
    Frau wurde vergangenes Jahr bei einem Unfall getötet. Wäre sie heute am Leben, das versichere ich
    Ihnen, wäre ich niemals auf eine so dumme Idee gekommen.«
    Kaum hatte er zu Ende gesprochen, trat Annie schüchtern vor und zog ihn am Ärmel. »Ich heiß' Annie
    Carver, Sir. Mein eigenes Kleines ist verkauft worden, kurz nachdem ich an Bord des Schiffes kam,
    und ich wünsch' mir von Herzen wieder eins, um das ich mich kümmern kann. Ich versprech' auch,
    daß ich Ihren Sohn lieben würd' wie meinen eigenen, Sir.« Sie errötete in jäher Verwirrung und fügte,
    die Hände ringend, hinzu: »Das heißt, wenn's Ihnen nichts ausmachen tat', die Münzen hinzulegen, um
    mich zu kaufen.«
    Gages genervter Blick wurde ein wenig weicher, als er nun auf die kleine, reizlose Frau hinabblickte.
    Ihre verworrene Redeweise legte jedoch nur allzu deutlich Zeugnis von ihrer mangelnden
    Schulbildung ab. »Ich hatte gehofft, eine Frau zu finden, die meinem Sohn in späteren Jahren Lesen
    und Schreiben beibringen könnte. Wäre es möglich, daß Sie ihn unterweisen könnten?«
    »Heiliger Himmel, nein, Meister!« stöhnte Annie, die diese Bedingung in noch tiefere Verwirrung
    stürzte. Sie wollte sich gerade
    schwer enttäuscht abwenden, als ihr plötzlich ein Gedanke kam. Mit einem schüchternen Lächeln sah
    sie ihn noch einmal an und sagte: »Aber ich kenn' eine, die wo das kann! Sie ist eine Liedy, soviel
    steht man fest, Sir.«
    »Eine Lady?« Jetzt, da Gage den größeren Teil der Frauen gesehen hatte, erschien ihm diese
    Behauptung doch sehr zweifelhaft. »Hier auf einem Sträflingsschiff?«
    »Jawohl, Sir!« In Annies Worten schwang großer Nachdruck mit. »Myliedy kann lesen und schreiben
    und im Kopf Zahlen zusammenrechnen. Ich hab' es selbst mitgekriegt, Sir.«
    »Und zweifellos ist sie neunzig Jahre alt«, knurrte Gage. Er konnte sein Geld nicht für eine Frau
    verschwenden, die wahrscheinlich fünf Minuten, nachdem sie das Schiff verlassen hatte, tot umfallen
    würde. Wieder stiegen alle Argumente an die Oberfläche, die seine Erwartungen in das Reich des
    Absurden verwarfen, ihn seiner Zuversicht beraubten und seine Hoffnungen zunichte machten. Gewiß
    konnte keine Frau von guter Herkunft und Erziehung ein so schwerwiegendes Verbrechen begangen
    haben, daß man sie auf einem Sträflingsschiff in die Kolonien schickte. Es sei denn natürlich, man
    hätte sie ins Schuldgefängnis geworfen. Aber selbst dann hatte er ernste Zweifel, ob er sie sich würde leisten können. Er hatte andere Verpflichtungen, die einer solchen Ausgabe im Weg standen.
    Ein helles Lächeln glitt über Annies Gesicht. »Aber gar nicht, Sir! Eine junge Dame! Und hübsch ist
    sie noch dazu, Sir.«
    »Wo soll dieses wunderbare Wesen denn sein?« fragte Gage kühl. Er fürchtete, daß Annie die
    Bedeutung des Wortes Dame nicht ganz begriff, denn seit er an Bord der London Pride gekommen war, hatte er nichts dergleichen gesehen oder gehört.
    Annie wandte sich um und bedeutete ihren Gefährtinnen, ein Stückchen beiseite zu treten, damit sie
    nach ihrer Freundin suchen konnte. Als sie sie erspäht hatte, zeigte sie mit ihrem dünnen Arm auf eine einsame Gestalt, die auf dem Lukendeckel saß. »Das ist sie, Meister! Shemaine O'Hearn, so heißt sie!«
    Shemaine wurde sich augenblicklich der Aufmerksamkeit bewußt, die sich auf sie konzentrierte, und
    sie spürte die Kraft der ver—
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    bluffend schönen braunen Augen, die nun voller Erstaunen auf ihr ruhten. Es ließ sich nicht
    bezweifeln, daß sie das Interesse des Fremden auf sich gezogen hatte, denn er konnte den

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