Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
verzweifelt um einen Rest von Klarheit. »Während der vier
    Tage, die ich im Kabelgatt eingesperrt war, hat man mir ein paar Brotkrusten und einen Eimer
    abgestandenen Wassers gegeben...« Ein neuerlicher Schwindelanfall raubte ihr nun auch noch den
    letzten Rest der Kraft. Aber als er ihr eine Hand unter den Arm legte, um ihr Halt zu geben, wankte sie zurück, entzog sich trotz ihrer Schwäche seinem Griff und zwang sich, ohne fremde Hilfe stehenzubleiben. »In Wahrheit, Sir...« Sie schluckte und kämpfte gegen eine weitere Woge der
    Übelkeit, die ihr das Weitersprechen erschwerte. »Ich bin so ausgehungert... daß ich einer Ohnmacht
    nahe bin.«
    Gage hielt umgehend einen Verkäufer an, der gerade vorbeischlenderte, und nahm den Mann beiseite.
    Nachdem er einige Weizenkuchen erstanden hatte, kehrte er zurück und hielt einen davon seiner
    Vertragsarbeiterin hin. »Vielleicht wird das ein wenig helfen.«
    Shemaine nahm den Kuchen hastig entgegen, riß ihn entzwei und verschlang gierig, was sie in Händen
    hielt. Dabei wäre sie beinahe erstickt. Beschämt über ihren Mangel an guten Manieren war sie
    außerstande, zu dem Mann aufzublicken, dessen hochgewachsene, breitschultrige Gestalt sie vor den
    Blicken jener beschirmte, die die Hauptstraße des Ortes entlangkamen. Sie schluckte die letzten
    Krümel hinunter und holte noch einmal zitternd Atem, ehe sie seinem fragenden Blick zögernd
    begegnete. »Ich hatte weitaus mehr Glück als einige der anderen Gefangenen, Sir. Nicht wenige sind
    wegen der Hungerrationen gestorben. Einunddreißig insgesamt, um genau zu sein.«
    Gage erinnerte sich an die fülligen Gestalten von Kapitän Fitch und dessen Frau. Der Gedanke, wie
    diese beiden sich mit gefräßiger Gier über üppige Speisen hermachten, während ihre Opfer Hungers
    starben, erfüllte ihn mit heißem Zorn. »Ich habe davon gehört, welche Not die Menschen an Bord von
    Sträflingsschiffen
    wie der London Pride zu leiden haben«, sagte er verbittert. »Ich bin vor einigen Jahren als Passagier an Bord eines Frachtschiffs hier angekommen und wußte damals schon, daß ich es weitaus komfortabler hatte als die meisten, die die weite Fahrt hierher antreten.«
    Als es in Shemaines Magen vernehmlich zu rumoren begann, verschränkte sie verlegen die Arme vor
    ihrem Leib. »Ich bin dankbar, überhaupt am Leben zu sein, Sir, obwohl ich gelegentlich wirklich
    Zweifel hatte, ob ich meinen Bestimmungsort erreichen würde.«
    Gage gab ihr einen weiteren Kuchen und wartete geduldig, während sie ihn verzehrte, diesmal mit ein
    wenig mehr Würde. Als sie den letzten Kuchen gegessen hatte, verspürte sie das Bedürfnis nach einem
    Glas Wasser. Ihr neuer Herr schien abermals ihre Gedanken zu lesen, denn er bedeutete einem anderen
    Verkäufer, einen Becher Apfelwein zu bringen.
    Erst als Shemaine ihren schlimmsten Hunger und Durst gestillt hatte, bemerkte sie, daß sie die
    Aufmerksamkeit der Passanten erregten. Einige der Dorfbewohner waren sogar stehengeblieben, um
    sie mit offenem Mund anzugaffen. Andere schauten nach einem flüchtigen Blick auf sie angestrengt
    beiseite. Aber die meisten waren unverfroren genug, sich einen Platz zu suchen, von dem aus sie einen
    besseren Blick hatten. Ein paar britische Soldaten, die ein Stückchen weiter weg standen, lachten und
    rissen Witze, während sie sie mit den Augen auszogen.
    Shemaine hatte keine Mühe, sich vorzustellen, was diese Leute dachten oder gar sagten. Ohne Schuhe
    und schutzlos der steifen Brise preisgegeben, die an ihren zerlumpten Röcken und ihrem
    ungekämmten Haar riß, sah sie gewiß wie eine rothaarige Wilde aus. Aber ihr fiel auch auf, daß, wer
    immer sie betrachtete, unwillkürlich den Blick auf ihren Begleiter richtete, um festzustellen, wer das wohl sein konnte. Der Ausdruck ihres Erkennens schwankte zwischen Erstaunen und Mißbehagen.
    Gage Thornton machte den Gaffern allein durch seinen Blick schon Beine. Genau wie vorher die
    Leute sich eilends an Bord der London Pride geflüchtet hatten, schienen auch diese Fremden plötzlich dringende Termine zu haben.
    Gage nickte mehreren männlichen Bekannten mit einer knappen

66
    Geste zu, aber diesen schien es geradezu peinlich zu sein, daß er sie bei ihrer Neugier ertappte. Ohne mehr als einen letzten, erschrockenen Blick zu wagen, eilten sie davon. Gage, der keinen vernünftigen Grund fand, sie zur Rede zu stellen, bedachte Shemaine nun seinerseits mit einem aufmerksamen
    Blick. Das Interesse, das die Männer ihr

Weitere Kostenlose Bücher