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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihr Haar fuhr, und es
    hat mich stets erstaunt, daß es nie zerzaust aussah.«
    Verlegen strich Shemaine sich eine ungebärdige Locke aus dem Gesicht; sie selbst hatte da gewiß
    mehr Schwierigkeiten, denn ihr Haar war alles andere als fein und wirkte oft zerzaust... Es war so dick und rebellisch, daß die schweren Locken in Zöpfe gezwungen oder hochfrisiert werden mußten, ein Unterfangen, das den einfallsreichsten Friseur auf eine harte Probe stellen konnte. Ihre Zofe in
    England hatte die Herausforderung genossen, ihr Haar nach der neuesten Mode zu frisieren, und stets
    dessen goldenen Glanz bewundert. Aber die Frau hatte seit ihrem zehnten Geburtstag ihr Haar
    gebürstet und frisiert und war natürlich ein wenig voreingenommen. Nola, die gern ihr eigenes Loblied
    sang, hatte oft behauptet, daß kein noch so verwöhnter Liebling eines adligen Vaters jemals so exquisit frisiert war wie ihre Shemaine.
    »Mein Haar ist genauso widerspenstig, wie es aussieht«, jammerte Shemaine und wünschte sich, sie
    hätte auch nur einen Funken von Nolas Talent. »Heute nachmittag hätte ich es mir fast abgeschnitten,
    nur um all die Knoten darin loszuwerden.«
    Gage sah, wie die eigenwillige Locke sofort wieder zurücksprang, als Shemaine sie losließ. Wie gern
    hätte er nach der roten Strähne gegriffen und sie zwischen den Fingern gerieben, nur um ihre seidige
    Weiche zu spüren. Aber er unterdrückte den Drang, da er vermutete, daß seine Dienerin wie ein
    erschrockenes Reh das Weite suchen würde. Eine Vielzahl ihrer Ängste kannte er bereits und
    betrachtete es daher als eine große Leistung, die Erlaubnis bekommen zu haben, ihre wohlgeformten
    Glieder zu massieren. »Ich finde dein Haar schön, Shemaine, und mir würde es nicht gefallen, wenn
    du es abschnittest.«
    Diese Bemerkung weckte in Shemaine plötzlich die Angst, daß sie ihn mit anderen Dingen bereits
    unwissentlich verärgert haben könnte. Sie dachte darüber nach, was sie in den vergangenen Stunden
    bereits getan hatte, und kam zu dem Schluß, daß es bei weitem besser war, ihm die Wahrheit
    einzugestehen, als zu riskieren, daß er auf irgendeine andere Weise von ihrer Tat erfuhr. »Ich hoffe,
    Sie
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    werden nicht allzu böse auf mich sein, Mr. Thornton«, sagte sie mit ängstlicher Hast. »Nachdem ich
    sie benutzt habe, habe ich sie sorgfältig ausgewaschen und sie wieder dorthin gelegt, wo ich sie
    fand...«
    »Sie?« Gage hob wachsam die Augenbrauen. »Was versuchst du mir zu erklären, Shemaine? Was ist
    sie}«
    »Ihre Bürste«, antwortete sie bleich. »Ich mußte sie benutzen, um die Knoten aus meinem Haar zu
    bekommen.«
    Amüsiert lächelte Gage. »Ist das alles? So wie du dich ausgedrückt hast, war ich sicher, daß du
    irgendeinen irreparablen Schaden angerichtet haben müßtest.«
    »Sie sind nicht böse, daß ich sie benutzt habe?« fragte Shemaine erleichtert. »Sie sind nicht
    ärgerlich?«
    »Hätte ich denn einen Grund dazu?« fragte er mit einem teuflischen Funkeln in den Augen. »Hast du
    etwas, das ich vielleicht lieber nicht so gerne hätte?«
    Erheitert schüttelte Shemaine den Kopf. »Ich bin mir keinerlei Ungeziefers bewußt, Sir.«
    Gage rieb sich nachdenklich das Kinn und hatte alle Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. »Vielleicht
    solltest du mehr Angst haben als ich, Shemaine. Du hast doch gesagt, du hättest die Bürste nachher gewaschen und nicht vorher, oder?«
    Shemaine stützte die Hände auf die Knie und bedachte ihn mit einem entzückenden Blick. »Sind Sie
    sich ganz sicher, daß Sie Engländer sind, Mr. Thornton?«
    Er antwortete mit einem gleichgültigen Achselzucken. »Wenn ich der Sohn meines Vaters bin,
    entstamme ich einer langen Reihe englischer Vorfahren. Meine Mutter hat die Verantwortung, was
    meine Geburt, mein Äußeres und meine Sturheit betrifft, William Thornton angelastet.«
    »Papa?« kam Andrews verschlafene Stimme aus dem Schlafzimmer.
    »Ich komme gleich, Andy«, erwiderte Gage und erhob sich mit einer einzigen flinken, mühelosen
    Bewegung vom Boden. Shemaine bewunderte abermals seine Kraft und seine Geschmeidigkeit. Gage
    selbst, der mit langen Schritten durchs Wohnzimmer
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    ging, wußte nicht, daß ihm die smaragdfarbenen Augen quer durch den Raum folgten. Er verschwand
    im Schlafzimmer, und Shemaine lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, um zu lauschen, wie seine
    gedämpfte Stimme sich mit dem verschlafenen Jammern seines Sohnes vermischte. Obwohl Gages
    Worte nicht von großer Bedeutung waren,

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