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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

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zurückbog, blieb der Krüppel unentschlossen stehen. Gage, der beschwichtigend
    auf seinen Sohn einredete, stellte ihn schließlich neben Mrs. McGee auf die Füße, woraufhin diese
    Andrews Hand ergriff und ihn in den hinteren Teil des Ladens führte, wo sie ihm ein Glas mit
    Bonbons zeigte.
    Cain legte indes den Kopf schief und sah den größeren Mann aus seinem grausam verzerrten Gesicht
    an. Dies war, soweit Gage sich erinnern konnte, das erste Mal, daß er sich dem Buckligen jemals hatte
    nähern können, ohne daß dieser davongehuscht war. Vielleicht war Cain noch deutlicher als allen
    anderen Menschen bewußt, wie furchtbar häßlich er war, so daß er es vorzog, sich zu verstecken.
    Seine Nase war groß und grotesk nach oben gebogen; seine Augen lagen seltsam schief unter
    schweren, zottigen Brauen. Er hatte nur wenige Zähne in seinem breiten, merkwürdig schiefstehenden
    Mund, und seine Zunge neigte dazu, ihm unkontrolliert
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    über die Lippen zu hängen. Aus mehreren gezackten Schnitten und tiefen Kratzern in seinem Gesicht
    sickerte immer noch Blut und legte beredt Zeugnis für die Mißhandlung ab, die ihm wenige Minuten
    zuvor widerfahren war.
    »Wolltest du etwas, Cain?« fragte Gage den Mann noch einmal.
    Der Bucklige zeigte mit seiner großen, behaarten Hand auf Shemaine, die immer noch nicht bei
    Bewußtsein war. Dann starrte er abermals Gage an, bevor er eine kaum verständliche Frage
    hervorstieß. »Sa dahd?«
    Stirnrunzelnd versuchte Gage, den verzerrten Silben eine Bedeutung zu geben. Endlich dämmerte es
    ihm. »Nein, sie ist nicht tot. Sie ist nur ohnmächtig. Sie müßte gleich wieder zu sich kommen.«
    Cain stieß unbeholfen die Hand in die Tasche seines dünnen, zerlumpten Mantels und zog ein Paar
    Slipper heraus, die Shemaine, als sie besinnungslos in Potts Würgegriff gehangen hatte, von den
    Füßen gefallen waren. »Ahr Schoh.«
    »Vielen Dank«, erwiderte Gage, der mit verwirrtem Stirnrunzeln die Schuhe entgegennahm. Es kam
    wahrhaftig selten vor, daß Cain Besorgnis für einen anderen Menschen zur Schau stellte oder sich gar
    solche Mühe machte, verlorene Besitztümer zurückzuerstatten, vor allem, wenn das bedeutete, daß er
    sich zu diesem Zweck irgendwelchen Bewohnern des Dorfes würde zeigen müssen. »Ich werde
    Shemaine sagen, daß du sie zurückgebracht hast. Sie wird dir sicher dankbar sein.«
    »Shamohn?«
    »Shemaine O'Hearn.« Gage sprach ihren Namen sehr langsam und deutlich aus, damit der Mann ihn
    sich einprägen konnte, obwohl es ihm immer noch vollkommen unverständlich war, warum Cain sich
    für das Mädchen interessierte. In den ganzen neun Jahren, die er nun hier lebte, hatte Gage von dem
    Buckligen noch nie so viele Worte zu hören bekommen wie gerade eben. Einige Dorfbewohner hatten
    sogar Zweifel geäußert, ob Cain überhaupt sprechen könne, aber das war überwiegend die Meinung
    jener gewesen, die sich sorgsam von dem Mann fernhielten, weil sie in ihm einen Schwachsinnigen
    sahen.
    Cain war als Säugling auf der Schwelle einer halb irrsinnigen alten Frau abgesetzt worden, die ganz
    allein in einer primitiven Hütte im Wald lebte. Wegen seiner entstellten Gestalt hatte die Alte ihm den Namen Cain gegeben, denn sie war davon überzeugt gewesen, daß der Finger Gottes das arme Kind gezeichnet hatte. Im Laufe der Jahre war die ehemals ganz muntere Frau immer schwächer geworden
    und schließlich noch vor Cains neuntem Geburtstag gestorben. Danach mußte das Kind um seine
    bloße Existenz ringen, aber die Alte hatte von Cain schon seit frühester Kindheit verlangt, daß er für seinen Unterhalt arbeitete, und ihn gelehrt, wie man Fallen stellte und sich etwas Eßbares verschaffte.
    Er lebte nach wie vor in der Hütte der Frau und hielt sich meistens von anderen Menschen fern, aber
    wenn er wichtige Dinge brauchte, die im Wald nicht zu finden waren, brachte er Hirsch-und
    Kaninchenfelle und andere Pelze ins Dorf, um mit Mr. Foster Handel zu treiben. Aber selbst dann
    achtete Cain sorgfältig darauf, sich in dunklen Ecken zu halten, wo er in Sicherheit war, bis der
    Krämer die Vorräte brachte, derentwegen er ins Dorf gekommen war.
    Selten einmal, und nur auf das beharrliche Drängen des Krämers hin, ließ der Bucklige sich überreden,
    einige Holzvögel, die er mit großem Talent zu schnitzen wußte, mit ins Dorf zu bringen, um sie zu
    verkaufen. Aber von Foster wußte man, daß Cain sich nur ungern von den Vögeln trennte, weil er die
    kleinen Figuren als

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