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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
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es
    mir geht, ist die Narrheit, mit der du dich in Gefahr gebracht hast. Wer war dieser Mann überhaupt?
    Erzähl mir nicht, es hätte sich um den gehandelt, vor dem du mich gewarnt hast.«
    »Doch. Es war Jacob Potts, der Matrose von der London Pride«, antwortete Shemaine mit heiserem Krächzen. »Bevor ich von Bord des Schiffes ging, hat er geschworen, mich zu töten.«
    »Und das wäre ihm auch wahrlich beinahe gelungen!« gab Gage
    heftig zurück. Er war wütend auf sie, weil sie die Drohungen des Mannes blind ignoriert und ihn
    obendrein sogar noch angegriffen hatte, was seinen Groll gegen sie aller Wahrscheinlichkeit nach
    noch vertiefen mußte. Um ihres eigenen Seelenfriedens willen hoffte er, daß es nicht allzulange dauern würde, bis der Matrose wieder in See stach.
    Shemaine war außerstande, sich an etwas anderes zu erinnern als den schattenhaften Nebel, der sie in
    Potts' Würgegriff umfangen hatte, und war nun neugierig zu erfahren, wie es kam, daß sie dem Zorn
    des Matrosen beinahe unversehrt entronnen war. »Was hat ihn eigentlich daran gehindert, sein Werk
    zu vollenden?«
    »Mr. Thornton hat Sie gerettet, Kindchen«, antwortete Mary Margaret an Gages Stelle. Sie hatte seiner
    Schimpftirade aufmerksam gelauscht und mit großer Freude zur Kenntnis genommen, daß seine echte
    Sorge dem Mädchen und nicht seiner eigenen Börse galt. Da sie unweit des Dorfes wohnte, waren ihr
    all die häßlichen Gerüchte zu Ohren gekommen, in denen die Leute ihn als kalten und rohen
    Menschen schilderten; aber sie hatte sich ein Urteil vorbehalten, weil sie es vorzog, unwiderlegbare
    Beweise zu sehen, bevor sie den Mann verdammte, wie so viele Dorfbewohner es mit einem
    Achselzucken getan hatten. Trotz der Klatschgeschichten hatte sie den Tischler im Lauf der Jahre ins
    Herz geschlossen, und er stand ihr heute so nah wie ein eigener Sohn, den zu gebären sie nie das
    Glück gehabt hatte. Auch konnte sie kaum glauben, eine so schlechte Menschenkennerin zu sein, daß
    sie eine so tiefe Zuneigung zu einem Mörder entwickeln konnte. »Sie hätten diesen schmucken Kerl
    mal sehen sollen, wie er sich durch all diese Gaffer gepflügt hat, um an Sie heranzukommen.«
    Gage warf der Frau einen finsteren Blick zu. Er wußte, daß sie in jedem ledigen Paar, das ihr über den Weg lief, potentielle Ehekandidaten witterte. Aber es war ihm auch klar, daß durchaus die Gefahr bestand, daß die Witwe solche Ideen in der Stadt verbreiten würde. Nach Roxannes Drohung, ihn des
    Mordes an Victoria zu bezichtigen, konnte das hoffnungsvolle Geplapper der alten Dame seinen
    Untergang besiegeln. »Bauschen Sie die Sache nicht über Gebühr auf, Mary Margaret.«
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    Die Irin lächelte süß und ließ sich von seinem Tadel nicht aus der Ruhe bringen. Denn solange sie sich erinnern konnte, hatte Gage Thornton niemals etwas von sich preisgegeben und jedes lobende Wort abgeschüttelt, als sei es ein lästiger Virus. Einmal hatte er ein vierjähriges Mädchen vor dem Ertrinken im Fluß gerettet. Aber als ihre Eltern und ein Großteil der Dörfler, die sein kühnes Rettungsmanöver vom Ufer aus beobachtet hatten, ihn bejubeln und ihm auf den Rücken klopfen wollten, hatte er
    lediglich der Mutter das Kind in die Arme gelegt und sie mit strengen Worten ermahnt, in Zukunft
    besser aufzupassen. Dann war er durch den Ring der Zuschauer stolziert und nur stehengeblieben, um
    seine Muskete und sein Bündel, das er beiseite geworfen hatte, bevor er in den Fluß gesprungen war,
    wieder aufzunehmen. Nachdem er sein Kanu zu Wasser gelassen hatte, hatte er sich mit eben
    demselben hochmütigen Benehmen verabschiedet, das die Leute von ihm zu erwarten gelernt hatten.
    Und nun widerstrebte es ihm sichtlich, das Mädchen wissen zu lassen, daß er beinahe sämtliche Gaffer
    zu Boden geschlagen hätte, um an ihre Seite zu eilen. Diese Tatsache gab Mary Margaret allen Grund,
    über seine Motive nachzudenken. War ihm sein kriegerischer Geist vielleicht peinlich? Oder ging es
    ihm darum, zu vermeiden, daß andere den Verdacht schöpften, er sei vielleicht wie all die Männer, die
    Shemaine bewunderten und sich stark zu ihr hingezogen fühlten, ebenfalls hoffnungslos in das
    Mädchen verliebt?
    Mary Margaret lächelte bei dem Gedanken, der hochgewachsene, rauhe Mann könne so verletzlich
    sein. Es bestätigte nur ihre Vermutung, daß er durch und durch menschlich war, ein Charakterzug, an
    dem viele Dorfbewohner ihre Zweifel geäußert hatten. Aber dieses Urteil

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