Wie Blueten Am Fluss
Welt, hat nie auch nur einen einzigen Atemzug getan.
Zumindest hat man es uns so erzählt. Hugh wußte schon damals dafür zu sorgen, daß wir anderen uns
von seiner Familie fernhielten; er hat auch nicht erlaubt, daß die Nachbarinnen kamen, um seiner Frau
zu helfen. Es dauerte dann ganze vier Jahre, bis Leona wieder ein Kind zur Welt brachte, aber Hugh
hat es nicht gut aufgenommen, daß es ein Mädchen war. Nach Roxanne kam dann keins mehr, und
kurz nach dem fünften Geburtstag des Kindes erstand Leona bei einem reisenden Kaufmann einen
hübschen Kamm. Was hat Hugh, dieser alte Geizhals, Zeter und Mordio geschrien, von wegen er hätte
ihr nie eine Münze für solchen Unfug gegeben, obwohl sie doch für andere die Wäsche besorgt hat.
Am nächsten Nachmittag kam der Vagabund wieder, und Leona schlich aus dem Haus und wurde nie
mehr gesehen. Sie war wirklich ein hübsches kleines Ding, und so, wie Hugh sie behandelt hat, konnte
ihr wohl niemand einen Vorwurf daraus
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machen, daß sie ihrem Herzen gefolgt ist. Ein Jammer nur, daß Roxanne auch äußerlich ganz nach
ihrem Vater schlägt und nicht nach ihrer Mutter.«
Plötzlich zerriß ein grelles, unmenschliches Kreischen die heitere Ruhe des Dorfes, und beide Frauen
blickten erschrocken zu dem Gehsteig vor der Taverne, wo ein grotesk verunstalteter Buckliger von
Entsetzen geschüttelt zu Füßen eines großen, stämmigen Matrosen kauerte, der den Krüppel unter
lautem Gejohle mit einem dicken Stock malträtierte. Mit bestialischer Grausamkeit trat der Seemann
sein Opfer in den Magen, verhöhnte es bösartig und nannte es bei jedem Schimpfwort, das ihm
einfallen wollte.
Schon vor Monaten hatte sich diese massige Riesengestalt, die da über dem Krüppel stand, mit
überscharfer Deutlichkeit in Shemaines Gedächtnis eingegraben. So war es weniger ihre Empörung
über seine Mißhandlung des Krüppels als der bloße Anblick von Jacob Potts selbst, der Shemaine
veranlaßte, sich von Mrs. McGee loszureißen. Mit gerafften Röcken rannte sie auf die Taverne zu, als
hätte der Zorn ihren Füßen Flügel verliehen.
»Shemaine!« rief Mary Margaret in eisigem Erschrecken. »Paß auf, Kind!«
Als weitere Schläge auf den unglücklichen, am Boden kauernden Buckligen niederprasselten, erreichte
Shemaines Wut ihren Zenit, und noch bevor sie die Taverne erreicht hatte, schrie sie aus
Leibeskräften: »Du schmutziges Schwein von einem Menschenschinder! Laß diesen Mann in Ruhe!«
Obwohl das weibliche Kreischen noch schriller klang, als er es seiner Erinnerung nach jemals auf der
London Pride gehört hatte, wußte Jacob Potts ohne jeden Zweifel, daß da die Frau kam, deren Stimme er inmitten der verschiedensten Dialekte der Siedler zu hören so sehr gehofft hatte. Jetzt endlich konnte er ein und für alle Mal sein Mütchen an dem irischen Sumpftrampel kühlen und sich für jedes
einzelne Mal rächen, das sie ihn wie einen jämmerlichen Gimpel hatte dastehen lassen. Kein aus
irgendeinem irischen Sumpf gekrochenes Flittchen hatte das Recht, so anmaßend und hochfahrend zu
sein. Trotzdem war die Idee, dem Mädchen mit einem Messer die Kehle durchzuschneiden, Morrisas
Idee gewesen und nicht
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seine. Es war ein Befehl, den sie ihm schon vor annähernd drei Monaten gegeben hatte. Aber gerade
diese Methode erschien ihm allzu schnell und sicher zu sein, um seine eigene Gier nach Rache zu
befriedigen. Er wollte, daß Shemaine O'Hearn einen langsamen, qualvollen Tod starb.
Ohne Hast warf Potts seinen Stock weg, stemmte die Arme in die Hüften und musterte das Mädchen
von oben bis unten. Sein Grinsen wurde immer breiter, und in seinen Schweinsäuglein funkelte eine
boshafte Freude auf, als seine Beute, nach der er so gierig gesucht hatte, mit schnellen Schritten näher kam. »Na, wenn das nicht das Irenflittchen ist, das schon wieder mal seine Nase in meine Sachen stecken will.«
»Du trauriges Nichts von einem Mann!« zischte Shemaine durch zusammengebissene Zähne. »Ich
habe langsam genug davon, mit anzusehen, wie du arme, unschuldige Menschen schikanierst.« In
diesem Augenblick kam sie an einem Faß mit langen hölzernen Axtstielen vorbei, das vor dem
Krämerladen stand. Ohne lange zu überlegen, riß sie einen der Holzstiele heraus und schwang ihn, als
sie vor Potts stand, mit aller Kraft, deren sie fähig war. Sein lautes Schmerzgeheul, als sie ihn an der Schläfe und am Ohr traf, drang bis in die Taverne hinein. Kaum eine Sekunde später
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