Wie Blueten Am Fluss
seine Freunde betrachtete, und obwohl Foster Cain mit einer beträchtlichen
Summe zu ködern versucht hatte, hatte er nun schon seit einigen Jahren keine mehr gebracht.
Mit Ausnahme vielleicht von Mr. Foster, Mary Margaret und Hugh und Roxanne Corbin hatten die
meisten Leute im Dorf Angst vor Cain. Wenn er zufällig einmal in ihre Nähe kam, scheuchten sie ihn
oft davon, mit Besenstielen, Steinen oder was ihnen sonst gerade in die Hände fiel. Aber Gages
Wissen nach hatte der Mann niemals einem anderen irgendwelchen Schaden zugefügt. Tatsächlich war
er nach dem, was er gehört und mit eigenen Augen gesehen hatte, davon überzeugt, daß Cain bei
weitem mehr Grund hatte, vor den Dorfbewohnern Angst zu haben als diese vor ihm. Denn die jungen
Burschen neigten dazu, ihn als Prügelknaben zu
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benutzen, um ihre Männlichkeit unter Beweis zu stellen oder, wie Gage im Geiste höhnisch vermerkte,
ihren Mangel an derselben.
Plötzlich fiel ein Schatten durch den Eingang, und als Gage aufblickte, sah er Roxanne zaudernd auf
der Schwelle stehen. Obwohl er ihre Drohungen noch keineswegs verwunden hatte, nickte er ihr doch
kurz zu, weil er es für weitaus klüger hielt, sie nicht noch mehr gegen sich aufzubringen. Der
Bucklige, der diese Geste bemerkte, drehte sich unbeholfen schlurfend um, um ebenfalls zur Tür zu
schauen.
»Cain hat ihr doch nichts angetan, oder?« erkundigte sich Roxanne ängstlich. Zögernd richtete sie
ihren Blick auf die bewußtlose Shemaine.
»Soweit ich weiß, hat Cain nichts mit dem Zwischenfall zu tun«, erwiderte Gage steif. »Der Mann, der
sie angegriffen hat, war ein Matrose von der London Pride. Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wie das Ganze angefangen hat, aber er schien entschlossen zu sein, sie zu töten.«
Mary Margaret trat mit Andrew im Schlepptau vor. »Ich kann Ihnen erzählen, was passiert ist«,
erklärte sie. »Ich habe alles mit eigenen Augen gesehen.«
Obwohl die alte Dame jetzt direkt neben Cain stand, nahm Andrew den Bücklingen kaum mehr wahr,
denn nun hatte er einen Lutscher, den er in der Hand halten und bewundern konnte, bis sein Vater ihm
die Erlaubnis gab, ihn zu essen.
Gage wollte dringend Näheres über den Angriff auf Shemaine erfahren und richtete seine ungeteilte
Aufmerksamkeit auf die Frau. »Was haben Sie gesehen, Mary Margaret?«
Mrs. McGee zeigte auf das Sofa. »Dieses liebe, tapfere Mädchen hat sich mit einem Stock auf diesen
abscheulichen Matrosen gestürzt, nachdem sie sah, wie dieser auf Cain einschlug. Und beinahe hätte
sie mit ihrem Leben dafür bezahlt, trotz all der Trunkenbolde, die mit offenem Mund herumstanden
und nur zugesehen haben. Wenn ich ein Mann gewesen wäre, hätte ich diesen Feiglingen eins hinter
die Löffel gegeben, um sie aus ihrer stumpfsinnigen Erstarrung herauszureißen! Wahrhaftig, die waren
alle durch die Bank sturzbetrunken. Es kann einem nur leid tun, daß die Iren so
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gern reden und trinken. Je mehr sie picheln, um so mehr schwatzen sie.«
»Shemaine kommt doch wieder in Ordnung, oder?« fragte Roxanne ängstlich.
Ihre Besorgnis erfüllte Mary Margaret mit Staunen. »Jawohl, mit ein bißchen Ruhe und liebevoller
Pflege wird sie wieder so gut wie neu sein.«
Roxanne lächelte steif und wandte ihren Blick Gage zu. »Du läßt es mich doch bestimmt wissen, wenn
ich euch in irgendeiner Weise helfen kann?«
Gage konnte sich kaum vorstellen, daß er die Torheit begehen würde, ihre Hilfe anzunehmen.
Trotzdem quittierte er ihren Stimmungswechsel mit Staunen. Es wäre wahrhaftig eine Untertreibung
gewesen, zu sagen, daß sie gelegentlich sprunghaft war. Es hing alles von ihrer Perspektive ab, davon, wie sie die Dinge sah, die sie persönlich betrafen. »Es ist nicht nötig, daß du dir Sorgen machst, Roxanne.«
Nachdem sie erst ihm und dann der älteren Frau zum Abschied stumm zugenickt hatte, trat sie von der
Tür zurück. Dann hob sie noch einmal die Hand und winkte Cain zu sich. »Komm besser mit, bevor
du dich noch weiter in Schwierigkeiten bringst.«
Mit einem letzten Blick auf Shemaine verließ der Bucklige gehorsam den Laden und schlurfte mit
seinem schwerfälligen Gang den Gehsteig entlang, ungefähr in die Richtung, in der die Schmiede lag.
»Arme Seele«, seufzte Mary Margaret, die an die Tür getreten war, um ihm nachzusehen. »Er ist wie
ein verirrtes, verletztes Schaf auf der Suche nach einem Hirten, der ihn führt. Ich glaube, er würde
jedem, der ein wenig nett zu
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