Wie Blueten Am Fluss
hatten jene, die hinter
verhangenen Fenstern anderen nachspionierten, aus beträchtlicher Entfernung getroffen, Frauen wie
diese aufgeplusterten Hennen beim Apotheker. In Wirklichkeit hatte niemand, der den Mann richtig
kannte, je ein böses Wort über ihn verloren.
Jetzt hatte Gage Thornton einen neuen Feind, ging es Mary Margaret durch den Kopf, als sie noch
einmal an den Matrosen dachte, wie er sich in dem Schlammloch wälzte. Man konnte nur hoffen,
177
daß dieser Feind wenigstens in einigen Wochen Newportes Newes wieder verlassen würde. »Ich bin
mir ziemlich sicher, daß Mr. Potts auf Rache aus sein wird, jetzt, wo er zum Gespött des ganzen
Dorfes geworden ist. Ich fürchte, wenn irgend jemand es wagen sollte, ihn in seiner Anwesenheit
Schlammfresser zu nennen, wird er versuchen, uns alle umzubringen.«
Gages Miene wurde um eine Spur weicher, und ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen.
»Nachdem die Leute ihn geradezu aus der Stadt hinausgelacht haben, glaube ich kaum, daß Jacob
Potts hier jemals wieder sein Gesicht zeigen wird.«
Shemaine teilte diese Vermutung jedoch nicht. »Meiner Erfahrung nach zahlt Mr. Potts jede
Kränkung, die man ihm zugefügt hat, mit doppelter Münze zurück. Er wird nicht eher Ruhe geben, bis
er sich gerächt hat.«
»Dann werdet ihr zwei den Mann wahrscheinlich wiedersehen«, prophezeite Mary Margaret düster,
»denn ihr habt ihn beide bis auf die Knochen blamiert. Man stelle sich nur vor! Ein kleines Etwas von
Mädchen verpaßt diesem Riesentrottel eine ordentliche Tracht Prügel! Und als wäre das nicht genug
gewesen, befördert ihr Herr ihn mit einem Tritt in den Schlamm. Potts' Stolz hat unter euren
Beleidigungen mächtig gelitten. Das wird er in den nächsten Jahren wohl kaum verwinden.«
Gage erhob sich von der Chaiselongue und sah die ältere Frau durchdringend an. Um Shemaines
willen wollte er endlich das Thema ändern. »Ich muß mich, während ich hier in der Stadt bin, noch um
einige geschäftliche Dinge kümmern. Wenn es keine allzu große Zumutung wäre, Mary Margaret,
würde ich Shemaine gern für eine Weile bei Ihnen lassen, damit sie sich noch ein wenig ausruhen
kann.«
»Es wird mir eine Freude sein, Sie in meinem Haus zu Gast zu haben«, beteuerte die alte Irin. »Und
ich würde es als Ehre betrachten, wenn Sie auch Andrew bei mir ließen. Er ist so ein lieber kleiner
Junge, und ich hätte ihn schrecklich gern ein wenig um mich. Ich werde uns sogar etwas zu essen
kochen, damit Sie sich keine Sorgen machen, die beiden könnten Hunger leiden, bevor Sie
zurückkommen.«
178
»Ich weiß Ihre Freundlichkeit sehr zu schätzen, Madam.« Gage sah sich nach dem Krämer um, der
inzwischen den Verkaufsraum verlassen hatte. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich muß
Mr. Foster finden und mich bei ihm bedanken, bevor wir uns verabschieden.«
Mrs. McGee deutete mit dem Kopf auf den hinteren Teil des Ladens. »Ich glaube, Adam ist dort
rübergegangen, als ich ihn das letzte Mal sah.«
Gage beendete seine Mission in kürzester Frist, holte den Wagen und kehrte dann zurück, um die
Frauen abzuholen. Sobald sie auf dem Wagen saß, nahm Shemaine Andrew auf den Schoß, um auf der
Sitzbank neben sich Platz für Mary Margaret zu machen. Dann stieg Gage auf, schnalzte kurz mit den
Zügeln, und die Stute trabte los. Sie fuhren über die Straße, die quer durch Newportes Newes verlief,
und hielten schon wenige Sekunden später vor einem kleinen, hübschen Häuschen etwas außerhalb
des Weilers. Gage, der Andrew auf dem Arm trug, begleitete die beiden Frauen bis zur Tür, wobei er
sein Tempo den vorsichtigen Schritten seiner Dienerin anpaßte, die jede Hilfe seinerseits abgelehnt
hatte. Nachdem er sie gut untergebracht wußte, verabschiedete er sich, stieg wieder auf den
Kutschbock und versprach, so bald wie möglich zurückzukehren.
Drei Stunden später war Gage mit dem Beladen der Vorräte auf seinen Wagen fertig. Vorher hatte er
den Auftrag einer wohlhabenden Frau aus Richmond bekommen, mehrere Möbel für ihr Eßzimmer
herzustellen. Dank dieser Bestellung besaß er nun beinahe wieder halb soviel Geld, wie er für
Shemaines Papiere bezahlt hatte. Auf diese Weise entspannte seine Finanzlage sich beträchtlich, und
er war zuversichtlich, daß sie mit dem Schiff schon bald gute Fortschritte machen würden.
Er kehrte zum Haus der Witwe McGee zurück, wo die ältere Dame ihn schweigend hereinbat. Dann
legte sie
Weitere Kostenlose Bücher