Wie Blueten Am Fluss
langer Zeit hätte sie die kostbarste Seide oder das weichste Leder für ihre Slipper bestellt, und das, ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, wie lange sie sie würde tragen können. Aber das war zu einer Zeit gewesen, da sie sich darauf hatte verlassen
können, daß ihr Vater für all ihre Kleider und sonstigen Bedürfnisse aufkam. Jetzt mußte sie Rücksicht auf die eingeschränkten finanziellen Mittel des Mannes nehmen, der über sie verfügte, und alles daransetzen, ihm möglichst wenig zur Last zu fallen. »Sie müssen bequem sein und dürfen nicht
allzuviel kosten.«
»Ich habe zwei Modelle, die da in Frage kämen«, informierte Mi—
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les sie, während er an seine Werkbank trat. Nachdem er ein kleines, kunterbuntes Häufchen von
Modellen durchsucht hatte, kam er mit zwei verschiedenen Schuhen zurück, die der jungen Frau
gewiß gute Dienste leisten würden. »Diese sind ziemlich unförmig und nicht besonders hübsch
anzusehen, aber sie sind äußerst strapazierfähig, Miss.«
Die Häßlichkeit beider Modelle bestürzte Shemaine einigermaßen, und sie fragte sich, wie sie sie
überhaupt längere Zeit tragen konnte, ohne daß das steife Leder ihre Füße aufschürfte oder das
Gewicht der massigen Schuhe ihr einen Krampf im Bein bescherte. Unglücklicherweise durfte sie es
sich nicht gestatten, über so unwesentliche Einzelheiten nachzusinnen. Sie war nur eine
Vertragsarbeiterin, rief sie sich energisch ins Gedächtnis, und es stand ihr nicht an, wählerisch zu sein.
»Wenn Mr. Thornton einverstanden ist...«
Zwei Augenpaare blickten fragend zu Gage auf, der seine Aufmerksamkeit von dem Mädchen
losreißen mußte. Während er sich im Geiste schalt, daß er für Shemaines Reize genauso empfänglich
war wie Miles Becker, nahm er einen Schuh in jede Hand, hielt sie nebeneinander und erprobte dann
die Biegsamkeit und das Gewicht eines jeden, bevor er sie dem Schuster mit einem tadelnden Blick
zurückgab. »Sie sollen kein Pferd beschlagen, Miles. Das Mädchen wird etwas Leichteres und
Biegsameres brauchen als diese klobigen Dinger.«
»Ein besseres Leder wird Sie aber mehr kosten, Gage«, wollte der Schuster ihn beraten. »Und es
würde vielleicht nicht so lange halten.«
»Habe ich Sie gebeten, sich um meine Börse zu sorgen?« fragte Gage gereizt. »Lassen Sie mal sehen,
was Sie sonst noch haben. Ich möchte nicht, daß Shemaine in diesen unförmigen Dingern
herumhumpelt.«
Miles fügte sich, und sie einigten sich schließlich auf ein Passenderes Paar, das überdies auch
hübscher aussah. Gage zählte die Münzen für eine Anzahlung ab, nickte dem Schuster zum Abschied
kurz zu und nahm Andrew auf den Arm. Shemaine folgte den beiden nach draußen.
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Es dämmerte bereits, und in der Taverne, die nur ein kleines Stück den Gehsteig hinunter lag, hatte
man die Lampen entzündet. Wildes, ausgelassenes Lachen und lebhafte Klänge von einem
Saiteninstrument drangen durch die Türen der Gaststube auf die Straße hinaus.
»Papa, Andy... will essen...«
»Ich auch, Andy«, erwiderte Gage, dem aufging, daß sie seit dem Frühstück nirgends lange genug
verweilt waren, um etwas zu essen. »Ich habe viel zuviel Hunger, um abzuwarten, bis wir nach Hause
kommen.«
Mit einem Seitenblick auf Shemaine deutete er auf die Taverne. »Es ist keine richtige Taverne und
auch kein Cafehaus, wie ich sie in den Carolinas besucht habe. Für gewöhnlich geht es da drin
ziemlich laut zu, und es wird eine Menge getrunken, beträchtlich mehr, als einer wohlerzogenen
jungen Dame recht sein kann. Aber in Newportes Newes ist diese Taverne nun mal zufällig das beste
Lokal, wenn man außerhalb eines Privathauses etwas essen möchte. Aber wenn es dir lieber wäre,
nicht...«
Shemaine lächelte kurz zu ihm auf. Nach ihrem Zusammenstoß mit Potts war ihr bei Mrs. McGee
nicht nach Essen zumute gewesen. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin halb verhungert, und solange
es da drin etwas zu essen gibt, ist mir alles egal, selbst wenn das Haus eine alte Scheune wäre.«
»Wir werden da wahrscheinlich noch mehr Matrosen von der London Pride treffen«, warnte Gage sie.
»Es ist ein Lokal, das sich bei Seeleuten und ihren Damen größter Beliebtheit erfreut.«
Shemaine, die sich auch von dieser Information nicht aus der Ruhe bringen ließ, antwortete mit einem
beiläufigen Achselzucken. Er versuchte offensichtlich, sie auf die Möglichkeit vorzubereiten, daß in
diesem Etablissement
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