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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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träumte ich davon, zu euch zu gehören, aber das weißt du ja. Genau deshalb wolltest du ja, dass Zach zur USC geht. Du wolltest ihn von mir entfernen.« Lexi seufzte. »Vielleicht hattest du recht. Was würde ich wohl tun, wenn Grace sich mit siebzehn verliebte? Wer weiß? Mit siebzehn ist man noch so jung. Ich verstehe das jetzt. Man ist zu jung.« Sie ging auf Jude zu, die zusammenzuckte. »Früher warst du die beste Mutter der Welt.«
    »Und?«, fragte Jude benommen.
    »Daher solltest du verstehen, was ich für Grace empfinde. Warum ich sie sehen muss. Du solltest das am besten verstehen.«
    Jude holte tief Luft und verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Geh, Lexi. Auf der Stelle.«
    »Ich kann mir keinen Sozialarbeiter für die Besuche bei Grace leisten. Aber ich dürfte sie sehen, wenn du dabei wärest.«
    »Verlass mein Haus.«
    Lexi verringerte den Abstand zwischen ihnen. Sie spürte Judes Feindseligkeit, aber es lag auch Traurigkeit darin, und diese Traurigkeit sprach Lexi an. »Du liebst Grace. Das weiß ich. Du weißt vielleicht genauso wenig wie ich, wie du vorwärts- oder rückwärtsgehen sollst, aber du erinnerst dich noch, wie sich Liebe anfühlt. Ich bin ihre Mutter. Grace muss wissen, dass ich sie liebe, ganz gleich, was ich getan habe. Wenn sie das nicht weiß …« Lexi brach die Stimme. »Ich werde ihr nicht weh tun, ich schwöre es. Und ich werde mich von Zach fernhalten. Erlaube mir einfach nur, meine Tochter kennenzulernen. Ich flehe dich an.«
    Lexi wollte noch mehr sagen, aber ihr fiel nichts mehr ein. Das Schweigen dehnte sich zwischen ihnen aus, bis Lexi schließlich mit den Schultern zuckte und zur Haustür ging, wo der grüne Pulli sie schmerzhaft an ihre beste Freundin erinnerte. Sie blieb stehen und blickte zurück ins Wohnzimmer. Jude hatte sich nicht gerührt.
    »Mia wäre auf meiner Seite«, sagte Lexi.
    Da endlich sah Jude sie an. »Das werden wir nie erfahren, und zwar deinetwegen.«
    Jude stand zitternd vor Kälte da und starrte auf die geschlossene Haustür und den verschwommenen grünen Fleck daneben. Sie bemühte sich, gar nichts zu fühlen. Irgendwann wurde ihr bewusst, dass das Telefon klingelte. Steif ging sie in die Küche, nahm den Hörer auf und meldete sich: »Hallo?«
    »Ich hab es endlos klingeln lassen«, sagte ihre Mutter.
    Jude seufzte. »Wirklich?«
    »Hast du schon wieder einen schlechten Tag? Ich könnte …«
    »Lexi war gerade da«, erklärte Jude und war selbst überrascht, dass sie es laut ausgesprochen hatte. Darüber hatte sie wirklich nicht mit ihrer Mutter sprechen wollen – mit ihr wollte sie über rein gar nichts sprechen, verdammt noch mal! Aber es war ihr einfach so herausgerutscht. Ihre Nerven lagen blank.
    »Das Mädchen, das in jener Nacht gefahren ist?«
    »Ja.«
    »Ach, du meine Güte. Die hat ja Nerven.«
    »Hab ich ihr auch gesagt.« Vollkommen ausgelaugt ließ sich Jude gegen die Wand sinken. »Damit sie Grace sehen kann, will sie, dass ich bei den Besuchen anwesend bin.«
    »Das hast du natürlich abgelehnt. Zumindest hätte ich das.«
    Sie brauchte eine Weile, um die Worte ihrer Mutter zu erfassen. Dann richtete sie sich auf. »Das hättest du getan?«
    »Selbstverständlich.«
    Jude löste sich von der Wand und ging zum Fenster. Sie blickte hinaus und sah ihren wild wuchernden Garten. Es war eine berauschende Mischung aus leuchtenden Farben und schwarzen verwelkten Blättern. Zumindest hätte ich das getan.
    »Du darfst nicht zulassen, dass dieses Mädchen dir wieder weh tut«, sagte ihre Mutter.
    Mia wäre auf meiner Seite.
    Ihre Mutter redete noch, sagte irgendwas über Trauer, so als wüsste sie, was Jude empfand, aber Jude hörte gar nicht mehr zu. Sie ging auf die Treppe zu, willenlos wie ein Blatt in der Strömung. Bevor sie es sich versah, stand sie vor Mias Zimmertür, griff nach dem Knauf und öffnete sie zum ersten Mal seit Jahren. Sie ging zur Kleiderkammer, öffnete sie und trat ein. Automatisch ging eine Lampe an, und da war er, genau, wie sie ihn hinterlassen hatte. Ein Karton mit der Aufschrift MIA .
    Eine feine Staubschicht zeigte an, wie lange sie schon nicht mehr hier gewesen war. Sie hatte erst nach Jahren die Kraft gefunden, diese Sachen zusammenzupacken. Danach war ihr keine Kraft mehr geblieben, sich an sie zu erinnern.
    »Leb wohl, Mutter.« Sie beendete das Gespräch und ließ das Telefon auf den Teppich fallen. Sie sank auf die Knie und öffnete den Karton. Darin lagen sorgfältig zusammengepackt die Zeugnisse

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