Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
Gefängnis steckt, wird dies den anderen eine Lehre sein. Und eine Menge Leute sind daran interessiert, dass ihre Kinder diese Lehre verinnerlichen.«
»Gefängnis? Gefängnis? «, fragte Lexi und hatte das Gefühl, der Boden täte sich unter ihr auf.
»Aber sie ist doch noch ein Kind«, warf Eva ein.
»Genau genommen ist sie achtzehn und damit erwachsen. Und zur Zeit des Unfalls hatte sie nachweislich Alkohol getrunken. In ihrem Alter liegt die Promillegrenze natürlich bei null.«
»Und für einen solchen Unfall schickt man ein Mädchen ins Gefängnis?«, fragte Eva.
»Durchaus möglich, wenn Alkohol im Spiel ist. Es könnte aber auch Bewährung und Sozialstunden geben. Vieles ist möglich, und während des Prozesses könnte noch eine Menge passieren. Aber dafür bin ich ja da: um Lexi zu helfen, sie zu verteidigen und sie da durchzubringen.«
»Und was soll ich tun?«, fragte Lexi leise. Allein die Vorstellung erschütterte sie bis ins Mark. Sie hatte das Ganze als Unfall betrachtet. Aber jetzt war es eine Straftat. Jetzt sah sie, dass noch viel mehr auf sie zukam, und sie bekam Angst.
»Wir werden kämpfen.«
»Kämpfen? Aber ich hab’s doch getan. Ich bin betrunken gefahren.«
»Es war nicht Ihr Wagen, und Sie hatten am wenigsten Alkohol im Blut«, entgegnete Scot. »Man muss kein Hirnchirurg sein, um sich zu denken, was passiert ist. Sie drei dachten, es wäre am sichersten, wenn Sie fahren würden. Und die Geschworenen haben sicher auch schon Alkohol getrunken, daher wissen sie, dass das jedem passieren könnte. Ich muss zwar noch einen Ermittler anheuern, aber wir werden ganz sicher auf ›nicht schuldig‹ plädieren. Letztes Jahr habe ich einen Mann verteidigt, der in einer ähnlichen Situation den Tod von zwei Menschen verursacht hat, und einen Freispruch erwirkt. Wichtig ist, was am Ende herauskommt.«
Freispruch. Nicht schuldig. Wie sollte Lexi vor Gericht Zach gegenübertreten und sagen, sie wäre nicht schuldig? Wie konnte sie noch irgendjemandem auf der Insel ins Gesicht sehen und das behaupten? »Aber sie ist tot . Ich kann doch nicht so tun, als hätte ich nichts falsch gemacht.«
»Das Gefängnis ist keine Lösung, Lexi. Glauben Sie mir.« Er legte ein paar Unterlagen auf seinem Schreibtisch zusammen und ordnete sie akkurat zu einem Stapel. »Wir gehen folgendermaßen vor. Sie werden in der Highschool ein paar Klassen besuchen und den Kindern Ihre Geschichte erzählen. Ich arrangiere etwas für Sie. Es wird einen guten Eindruck hinterlassen, wenn Sie bereit sind, die Verantwortung für Ihre Taten zu übernehmen. Zeigen Sie der Gemeinde und den Medien, dass Sie anderen Jugendlichen eine Botschaft zu geben haben, ohne ins Gefängnis zu gehen.« Er warf ihr ein trauriges Lächeln zu. »Ich kenne Ihre Geschichte, Lexi. Die Leute werden berücksichtigen, was Sie durchgemacht haben.«
»Was meinen Sie damit?«
Er schlug eine Akte auf und sah sie sich an. »Ihre Mutter, Lorena Baill, kam zum ersten Mal 1986 in Haft, als Sie drei Monate alt waren. Die ersten vierzehn Jahre Ihres Lebens verbrachten Sie bei sieben verschiedenen Pflegefamilien. Jedes Mal, wenn Ihre Mutter aus dem Gefängnis oder der Entzugsklinik kam, holte sie Sie ab. Die Familiengerichte gaben ihr immer wieder eine neue Chance.« Er sah auf. »Sie hatten ein schweres Leben, Lexi. Und Sie waren dabei, als Ihre Mutter an einer Überdosis starb.«
Lexi schluckte. Das war eine Erinnerung, die sie stets zu verdrängen suchte. »Ja.«
»Die Geschworenen werden Mitleid mit Ihnen haben. Vertrauen Sie mir, ich kümmere mich um Ihren Fall. Okay?«
»Wie viel wird das kosten?«, erkundigte sich Eva.
»Ich bin eine Ein-Mann-Kanzlei, Eva, daher kann ich mir nicht leisten, diesen Fall pro bono zu übernehmen. Ich will Sie auch nicht anlügen: Es wird teuer werden. Aber ich versuche, so sparsam wie möglich zu arbeiten.«
Lexi wurde flau im Magen. Ihre Tante arbeitete schon fünfzig Stunden pro Woche, um die ganz normalen Rechnungen bezahlen zu können. Wie sollte sie das jetzt auch noch schaffen?
»Ich hab ein paar Ersparnisse«, sagte Eva. »Die Lebensversicherung meines Mannes.«
»Nein, das sind deine Rücklagen fürs Alter«, protestierte Lexi.
»Streite nicht mit mir, Alexa«, entgegnete Eva. »Es ist mein Geld. Ich gebe es aus, wie ich will.«
Der Anwalt nahm ein paar seiner Visitenkarten und reichte sie ihnen über den Schreibtisch hinweg. »Wenn die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder ein anderer Anwalt sich bei Ihnen
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