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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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siegreich langsam durch die Straßen kurvenden Gefährt her gerannt, ich wollte sehen, was Walross von seiner Reise mitgebracht hatte.
    Der Bus ist ein bisschen schief, sagte Armin, der Stationsvorsteher,
und kratzte sich unter seiner Stationsvorstehermütze. Er meinte nicht den Bus an sich, er meinte, wie Walross ihn geparkt hatte – der vordere Rechte stand auf dem Gehweg. Armin ging in die Hocke, die Knie knackten, er sah unter den Bus, fuhr mit dem Finger über verrostetes Blech, öffnete den Kofferraum und trat gegen die Reifen. Nickte dreimal und sagte: ein guter Bus, ich kenne ihn, den kannst du nicht verkaufen, der gehört uns schon.
    Klar kennst du ihn, riss Walross die Hände jubelnd in die Luft, aber seid ihr miteinander verwandt, du und der Bus? Weil, deinen Onkel verkaufe ich dir nicht, aber die Zeit, in der man nur das verkaufen durfte, was einem gehört, ist in diesem Land längst vorbei.
    Hinter dem grinsenden Walross erschien eine junge Frau in der Bustür. Der vergaß jeden Handel und stopfte sich das Hemd in die Hose. Rotes Haar mit schwarzen Spangen, roter Schal mit schwarzen Streifen, rote Stöckelschuhe mit schwarzen Schnallen, Schuhgröße fünfzehn, wenn es hochkommt; auch die weit ausgeschnittene Bluse und der Mini-Rock waren rot-schwarz. Der Marienkäfer lachte, und ich war sehr erleichtert, dass seine Zähne einfach weiß waren.
    Walross reichte der Rothaarigen seinen Unterarm, den sie lächelnd ergriff. Ihre roten Schuhe berührten den aufgeplatzten Asphalt kaum. So schwebend und mit den Wimpern klimpernd sah die junge Frau die kleine Gruppe an, die zusammengekommen war, um das Wunder Walross zu begrüßen, und die Gruppe senkte den Blick, sofern sie Mann war, und nahm die Mütze ab, sofern sie eine hatte.
    Willst du nicht sie verkaufen?, schoss es Armin durch den Kopf, so begierig jedenfalls stierte er auf Walross’ Neue. Als wäre sie ein Sonntagabendwestern, der noch nie gelaufen ist. Armin pfiff kaum hörbar, aber hörbar durch die Zähne, so pfeift man, wenn man etwas Teures sieht. Die Augen der Rothaarigen hatten mit Armins Pfiff etwas zu tun, hellblau neben dem ganzen Rot-Schwarz. Auch wie schlank und lang ihr Hals war! Armin klopfte zum vielleicht zwanzigsten Mal
gegen den heißen rechten Vorderreifen, dieses Bein hatte er nicht mehr im Griff.
    Das, das ist meine Milica!, sagte Walross seine Milica mit einer so feierlichen Stimme an, als wollte er eigentlich verkünden : alle herhören, jeder soll wissen, dass das meine Milica ist! Milenkos schöne Milica!
    Jeder wusste von Walross’ Unglück, jeder hatte mitbekommen, wie er vor den Augen seines einzigen Sohnes betrogen wurde und wie ein Trafikant seinen Bücherschrank mitsamt dem »Kapital« gedemütigt und beschmutzt hatte. Es klatschte trotzdem niemand, als der Marienkäfer an Walross’ Seite stöckelte. Rot-Schwarz heißt bei uns noch lange nichts, die Busstation ist kein Kino und so eine Dosis Lippenstift, das kann für einen Mund, rein medizinisch, nicht gut sein!
    Vorsichtig setzte Walross Milicas Gepäck ab, die eigene Sporttasche pfefferte er auf den Bürgersteig, dass Staub aufstob. Den Schlüssel reichte er Armin, als hätte der Geburtstag, und Armin blieb nichts übrig, als sich zu bedanken und endlich von dem Reifen abzulassen. Walross’ Neue warf den Schal um ihren schlanken Hals, und ein so winziges Täschchen wie ihres hatte ich noch nie gesehen, der Lippenstift passt hinein, aber dann wird es eng für die Kopfschmerztablette.
    Wo ist eigentlich der Fahrer?, fragte ich Walross, nachdem er die Umstehenden mit Handschlag begrüßt hatte, wie es Präsidenten auf den Flughäfen tun, die Hand der Gastgeber mit beiden Händen fassend.
    Der Fahrer sammelt Pilze auf dem Romanija, antwortete Walross und boxte mir auf den Oberarm, was mir gefiel. Und wo ist mein Sohn, Halunke?
    Der sammelt Haare bei Meister Stankovski, antwortete ich und tänzelte vor Walross wie Mohammed Ali, ich komme gerade von dort. Er trägt deine Jacke, immer.
    Soso, die Jacke, nickte Walross und seine Handfläche kassierte eine rechte Gerade und einen Uppercut. Dann wird er das alte Ding heute das letzte Mal getragen haben, in Triest trägt man keine Jeansjacken, und ich habe alles neu für ihn.
    Milica schob sich die Sonnenbrille aus dem Haar ins Gesicht und ließ, stirnrunzelnd, den Blick über die kleine Busstation schweifen. Das Gebüsch am Rand, so blassgrün, konnte jemandem so Gepunkteten nicht gefallen. Wahrscheinlich auch die Ölflecken

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