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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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wie Toiletten in deiner Familie eingeweiht werden oder wie sich deine Tante Wirbelsturm und Carl Lewis ein Wettrennen über die Brücke liefern und drüben in Tokio rauskommen! Du hast dieses Jahr bei allen Aufsätzen das Thema verfehlt – zügle gefälligst deine Fantasie! Herr Fazlagić tritt an meinen Tisch und beugt sich zu mir hinunter. Und für die direkte Rede, sagt er und stützt sich mit den Fäusten auf die Tischplatte, gibt es Anführungszeichen, das weißt du, das brauche ich dir nicht jedes Mal zu erklären. Ihr habt eine Stunde!
    Herr Fazlagić klingt beleidigt. Als er noch Genosse Lehrer hieß, brummte er mir eine Strafarbeit auf, weil ich meine Fantasie gezügelt hatte und in »Meine Heimat« sieben Seiten mit auswendig gelernten geografischen und wirtschaftlichen Statistiken
über Jugoslawien voll schrieb. »Meine Heimat« war jedes Jahr mindestens zwei Mal Thema. Also wies ich in einer Fußnote auf meine vergangenen Arbeiten hin sowie auf die Tatsache, dass sich meine Einstellung trotz Inflation nicht geändert hatte und nicht so schnell ändern wird. In einer zweiten Fußnote schlug ich Herrn Fazlagić vor, einen Blick in meine Gedichtsammlung zu werfen, insbesondere auf die Gedichte: »8. März 1989 oder Meiner fachpolitischen Beraterin schenke ich Tannenwälder voll Mutterliebe«, »1. Mai 1989 oder Das Küken in der Pionierhand« und »Genosse Tito, in meinem Herzen stirbst du niemals«.
    Opa Slavko hatte meine verfehlten Themen gemocht, Mutter mochte die schlechten Noten nicht so und Vater maß der Schule keine große Bedeutung bei, er sagte: lass dich auf keine Prügeleien ein!
    Ich schlage die erste leere Seite in meinem Arbeitsheft auf. »Eine schöne Reise.« Mit meinen Eltern fahre ich jeden Sommer an die Adria, immer nach Igalo. Das Arbeitersyndikat von Varda, der Firma, in der mein Vater Hemd und Krawatte trägt, organisiert das. Hunderte von Višegradern, die in Varda arbeiten, packen ihre Koffer und ihre Familien zusammen und sagen: ja, dieses Hotel wurde uns zugeteilt, wir hätten aber lieber das gehabt, in dem wir ’86 waren. Varda fährt nach Igalo, man verschiebt für einen Monat die Leute aus einer kleinen Stadt ohne Meer in eine kleine Stadt mit Meer. Ich kenne mich in Igalo genauso gut aus wie in Višegrad, und zwar nicht nur wegen der alljährlichen Fahrt dahin, sondern auch, weil die Hotelbetten und die Regale, eigentlich das gesamte Mobiliar, sogar der Parkettboden und die Holzverkleidung, exakt so in unseren Schlafzimmern und an den Wänden wieder zu finden sind – Varda-Produkte. Möchte man über eine schöne Reise schreiben, schreibt man nicht über Igalo.
    In der Ecke des Blattes habe ich, vor lauter Gedanken an Igalo, einen Kopf gekritzelt. Die Mundwinkel nach unten gezogen, ein Schnurrbart. Jetzt kriegt der Kopf zwei lange Arme
anstelle von Ohren. Walross. Eine schöne Reise für Zorans Vater, den ehemals gefürchteten Dreierschützen und nicht so guten Flintenschützen Milenko Pavlović! Walross’ schöne Reise zu einer neuen Frau und zu neuem Glück! In dem Wissen, eine gute Geschichte ist niemals ein verfehltes Thema, schreibe ich den Titel auf:

Was Milenko Pavlović, genannt Walross, von seiner schönen Reise mitbringt, wie das Bein des Stationsvorstehers zum Leben erwacht, wofür man Franzosen gebrauchen kann und warum die Anführungsstriche überflüssig sind
    W eil jeder alles sagen und denken und nicht sagen darf, und wie sollen Anführungsstriche für nichtgesagtes Denken aussehen, oder für gelogenes Sagen, oder für Denken, das gar nicht wichtig genug ist, um gesagt zu werden, oder für das wichtige Gesagte, das nicht gehört wurde?
     
    Betrunken und betrogen wie er war, hatte Milenko Pavlović, genannt Walross, seinen Sohn zur Seite genommen und gesagt: Zoran, ich fahre jetzt weg, ich muss uns alles neu besorgen – »Das Kapital« für mich und eine Mutter für dich. Er war in sein Auto gestiegen und hupend aus der Stadt gefahren. Niemand wusste, wohin seine Reise ging.
    Gestern, nach einem Jahr, kam Walross wieder. Er fuhr noch hupender in die Stadt, als er sie damals verlassen hatte, am Steuer eines Busses von Centrotrans. In diesen Tagen hauten alle ab von hier, niemand weiß wohin, nur Walross kehrte stolz zurück, niemand wusste woher, und das Erste, was er sagte, als seine Schuhe Višegrad berührten, war:
    Will jemand einen Bus kaufen?
    So ein Bus verkauft sich bestimmt nicht leicht, sagte ich zu Walross außer Atem. Ich war neben dem

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