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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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auf dem Asphalt nicht oder das dösende Hunderudel oder die Löcher im rostigen Zaun oder der Reifenliebhaber Armin, der sich unter dem Hemd am Bauch kratzte. Ihre Inspektion beendete Milica über die Sonnenbrille hinweg – bei mir. Was war nicht in Ordnung? Ich hatte große Ohren, das fanden aber Frauen im heiratsfähigen Alter normalerweise sympathisch. Ich hatte einen schiefen Haarschnitt, aber dafür konnte ich nichts und Meister Stankovski so einiges. Milica schob langsam die Lippen auseinander, zeigte Zähne, sie besaß circa vierzig mehr als normale Menschen, und auf einem ihrer zwölf Schneidezähne funkelte ein Diamant. Die Zähne könnten eine Art Lachen sein, dachte ich, und wirklich: etwas gefiel ihr an mir! Begeistert schlug sie die Hände vor die Brust, ihre Enttäuschung über die schäbige Busstation war verflogen. Sie kniff mir mit beiden Händen in die Wangen und in die Nase mit einem unglaublich süßen Duft. Aber wenn es etwas gibt, rief ich und wischte mir mit den Ärmeln über die Wangen, das ichpersönlich erschütternd finde, dann sind das Finger in meinem Gesicht!
    »Ichpersönlich« sagte meine Mutter, wenn sie anderer Meinung sein wollte und »erschütternd«, wenn sie mal wieder sehr besorgt war.
    Wie er redet!, jauchzte Milica und klatschte in die Hände. Ihre Stimme klang wie die letzte Klaviertaste rechts. Wie drollig er den Mund auf- und zumacht! Sie trat einen Schritt von mir zurück, als würde sie ein Bild in einer Galerie bewundern. Walross freute sich, weil seine Milica sich freute, er wollte sie umarmen, aber er war inzwischen mit Koffern und Taschen und Tüten so sehr behangen, dass er sich nicht wirklich gut bewegen konnte.
    Wie alt bist du, Liebling? Milica kam wieder einen Schritt näher, ich zog mich drei Schritte zurück.

    Man munkelt Verschiedenes, zwischen acht und vierzehn, je nach Bedarf, aber auf jeden Fall zu alt, um gekniffen zu werden, murmelte ich und folgte Walross, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen. Der hatte sich schweren Schrittes in Richtung Zentrum aufgemacht. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Armin den Bus rückwärts herausfuhr, das konnte er nicht haben, dass einer seiner Busse mit dem vorderen Rechten aufsaß. Den Marienkäfer behielt ich im Auge. Wer weiß, wozu jemand noch fähig war, der Strümpfe trug, die wie ein Spinnennetz aussahen.
    Čika Milenko, wo warst du eigentlich die ganze Zeit?
    Auf der Reise – kreuz und quer durchs Land. Durch das flache Pannonien, über die Dinariden, an die Küste, bis nach Italien. Keine schlechte Reise. Weil ich kaum Geld hatte, gab ich mich mit fünf Sätzen Französisch aus der Marseillaise und dem Rezept für Lammkeule Bretagner Art als Jacques aus und stellte meine Milica jedem als Mademoiselle Bretagne vor. Franzosen machen unsereinen glücklich, weil sie wie wir zu lieben wissen, weil sie das Akkordeon genauso gut beherrschen und weil sie aus ihrem Unvermögen, ehrliches Brot zu backen eine Kunst gemacht haben! Als Jacques und Bretagne bekamen wir immer zu essen und ein Bett zum Schlafen und um uns besser kennen zu lernen. Überall erklärte man uns, warum Jugoslawien so ein feines Land gewesen sei, das hörte sich an, als würde man über einen Toten sprechen. Unsere Maskerade ging so lange gut, bis wir auf einen echten Franzosen stießen. Mit dem betranken wir uns dann mit französischem Rosé, bis er zugab, doch nur Mazedonisch mit französischem Akzent gesprochen zu haben, und dass der Wein ein Landwein aus der Gegend sei, mit Schnaps gestreckt. Da hatte der auch schon zu viel von seinem Landwein und weinte in Milicas Schoß, so viele Jahre für ein Motorrad habe er gespart, um die schönste Frau im Dorf zu beeindrucken, die schönste Frau habe aber irgendwann einen geheiratet, der nicht mal ein Fahrrad besaß.
    Auf dem Weg durch Višegrad am 2. April 1992 sagte Walross
: es wäre gut, wenn alle das Unterwegssein trainiert hätten wie ich. Alle werden bald lange Reisen machen müssen. Ich bleibe, komme, was wolle.
    Auf dem Weg an der Feuerwache vorbei, wurde Walross ernst und sagte: hier werden Milica und ich glücklich.
    Auf dem Weg blieb Walross an der Moschee stehen und trank Wasser aus dem Hahn in der Mauer.
    Auf dem Weg, der gar nicht lang genug war, dass er mir das alles hätte erzählen können, was er mir erzählte, war Milenko um jeden Spaziergänger froh, der ihn erkannte und grüßend stehen blieb, weil er dann die schweren Taschen absetzen konnte. Viele grüßten herzlich, herzlich auch

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