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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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deswegen, weil sie froh waren, dass da wieder einer mehr in der Stadt war, die täglich kleiner wurde.
    Musa, sagte Walross zu Musa Hasanagić, der seine Karfiol an den Zügeln führte, Musa, Bruder, halten wir zusammen?
    Immer, sagte Musa und Karfiol nickte, wie es Pferde tun.
    Auf dem Weg zu seinem Sohn, den er viel zu lange nicht gesehen hatte, und auf dem Weg zum Satz: ich bin zurück, und der Krieg ist mir auf den Fersen, erzählte Walross von seiner Reise, der letzten, so sagte er, die man für lange Zeit so voller Sorgen und doch so sorglos gemacht haben wird in diesem Land:

Wohin schlechter Musikgeschmack führt, was der Dreipunktemann anprangert und wie schnell ein Krieg ist, wenn er einmal Anlauf genommen hat
    M eine Karre ist gleich auf dem Romanija stehen geblieben. Nicht zu fassen! Genau da, wo ich mit meinem Zoran einmal Pinkelpause gemacht habe, will der Motor nicht mehr. Nebel wie Zement, nach wie vor. Ich – zu Fuß weiter, dann kam der Bus. Der Fahrer hat Musik aufgedreht. Mein Kopf hat Schmerzen aufgedreht. Sag ich zu ihm: du bist nicht allein hier. Er lacht mich aus: bin ich nicht, aber ich fahre dich und solange ich dich fahre, gehört mir die Lautstärke und dir der Sitz. Da hat er Recht. Das geb ich zu. Da streit ich mich nicht. Aber die Musik wird nicht nur nicht leiser, sie wird auch noch schlechter. Sie wird widerlich. Der hat eine Kassette reingetan und singt von den scharfen Schwertern an der blutigen Drina. Ich noch mal vor: gut, die Lautstärke und das Radio und das Lenkrad und die Geschwindigkeit und deine Nasenhaare gehören dir, aber das hier, das sind meine Ohren. Und das, womit meine Ohren und meine Drina sich abgeben müssen, damit bin ich nicht zufrieden und ganz und gar nicht einverstanden. Und weil du mitsingst – da habe ich ihm gegen die Schulter getippt –, bin ich auch mit dir nicht zufrieden und ganz und gar nicht einverstanden. Als Fahrer nicht und als Mensch, der so einen Schwachsinn auswendig kann, auch nicht. Abschalten oder ich schieß dir die Eier weg! Der dreht aber bis zum Anschlag auf. In die Schlacht, alle Helden!, hat er mich angebrüllt, dass ich dachte, gleich fliegen wir von der Straße und das Letzte, was ich im Leben
gehört habe, ist großserbisches Eselsgeschrei. Weil singen konnte der nicht, sonst wäre er auch kein Busfahrer geworden. Ich habe Kopfweh und mein Leben ist gerade nicht das einfachste Leben, habe ich dem Esel ins Ohr geflüstert. Und dass ich zwar Serbe bin, mich aber schäme, wenn ich so einen Müll höre. Es gibt nichts Gefährlicheres als einen betrogenen Mann mit Kopfweh, der sich schämt und in seiner Tasche unter den Unterhemden eine geladene Flinte hat. Aleksandar, versprich mir, du drückst nie einem Busfahrer eine Flinte unters Auge, wirfst ihn aus seinem Bus, trittst ihn zusammen und erschießt seine Kassette!
    Pionierehrenwort!
    Es gibt keine Pioniere mehr, Halunke.
    Man ist lebenslänglich Pionier!
    Walross nickte zufrieden. Ja, jetzt bin wohl ich der Bus, habe ich zu den Passagieren gesagt, und jeder kanns haben, wie er will. Ich bring euch vor die Haustür oder wohin auch immer, ihr habt dafür bezahlt. Wer nicht mit einem solchen Kopfweh und einer solchen Flinte mitfahren möchte, den lasse ich gleich raus, bin auch nicht sauer. Da waren also diese Gesichter, Männer und Frauen, sie haben mich angeguckt, alle ein bisschen besorgt und alle schwarzhaarig; alle – nur meine Milica rothaarig, sie saß auf dem Fünfer hinten und malte sich den Mund an. Aah! Da war mir sofort klar, dass ich das nicht ganz ernst gemeint haben konnte, dass ich jeden rauslasse. Weil so eine – entkommt mir nicht.
    Milica lächelte und senkte die Augen. Walross legte die Taschen ab, schloss ihre Taille in seine große Basketballhand und zog Kreise über den rotschwarzen Stoff ihrer Bluse.
    Drei Leute sind sofort ausgestiegen, hob Walross drei Finger, ein vierter – Walross zückte den kleinen Finger – ist aufgestanden. Ein winziger, alter Mann mit einem viel zu großen Hut, Schläfenlocken und schäbigem Frack. So winzig, ich habe ihn hinter dem Sitz gar nicht gesehen. Alles an ihm war entweder klein und kurz oder groß und lang. Er musste auf die Lehne klettern, um seine Tasche von der Ablage holen zu können.
Ein ganz, ganz, ganz kleiner Nörgler war das, dem hast du die Ehrlichkeit und die Trauer an den Lippen angesehen! Noch auf der Lehne hat er sich eine kleine Brille vor die Riesenaugen geschoben und eine Rede gehalten in seiner

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