Wie der Soldat das Grammofon repariert
sagen uns jetzt, was wir wissen sollen. Ich antworte: Katarina ist bei mir.
Mutter fragt nicht nach.
Wir warten. Alle warten. Wie lange und worauf, weiß niemand. Die ganz Kleinen werden von ihren Großen keine Sekunde losgelassen. Sie werden in Armbeugen gewippt, quengeln und bekommen auf alles »shhh« zur Antwort. Ein fetter Soldat sieht uns an, als hätten wir etwas gestohlen. Unter uns fallen Schüsse, der Fette sagt: da habt ihr es. Wir nicken und setzen uns zum gefesselten Čika Hasan.
Im Fenster am Flurende hängt die Nacht. Draußen brummen die Motoren und singen die Soldaten. Čika Hasan sagt: die ziehen weiter nach Westen ins Landesinnere, theoretisch. Čika Sead ist nicht mehr da, um zu widersprechen.
Die Bräutigame im Haus sind nicht mehr in Feierlaune, müde spazieren sie über und zwischen und unter uns. Einer singt das fröhliche Lied, alle kennen es, er singt allein und schläft dabei ein. Mit einer Plastiktüte und einem Topf kommen zwei neue Soldaten auf unser Stockwerk, der eine zeigt schiefe Zähne und steckt dem schlafenden Sänger den Finger ins Ohr. Aus der Tüte holt er Brot, Salz und Bier. Packt aus der Alu-Folie zwei gebratene Hühnchen. Aus dem Topf dampft es, gekochte Kartoffeln. Große Messer mit schartiger Klinge und Kerben im Griff: Teller brauchen die nicht.
Alle Türen im fünften Stock stehen offen oder liegen auf dem Boden – man muss über die Tür laufen, um in eine Wohnung zu kommen. Čika Sead hat dort gewohnt, wo zwei Soldaten jetzt hineingehen. Die Tischbeine scharren übers Parkett, und der Tisch passt doch nicht durch den Türrahmen. Da stehen die Soldaten, zwei drinnen, einer draußen, was jetzt? Der mit dem größten Hunger nagt schon am Hühnerbein, im Stehen. Die beiden in Čika Seads Wohnung setzen sich an den Tisch, einer setzt sich vom Flur aus dran. So wird das gemacht, Soldaten bohren die Finger ins Fleisch, spießen es auf die schartigen Messer, essen das Fleisch von den Messerspitzen.
Alle zwei Minuten erlischt das Licht im Treppenhaus. Für Sekunden verhüllt die Dunkelheit das Warten. Nicht genug Zeit, um Konturen zu erfassen. Sofort knipst jemand das Licht wieder an. Jede Dunkelheit ist ein kleines Verschwinden, eine kleine Genesung. In einer solchen dunklen Sekunde flüstert Asija: vergiss mich nicht! Das Vergessen kitzelt an meinem Ohrläppchen, ich weiß nicht, warum sie das sagt, warum sie das jetzt sagt, ich weiß nicht, was ich ihr antworten soll. Das Licht lebt wieder, Asija dreht sich das Haar auf den Finger, Tränen haben Adern aus Schmutz über ihre Wangen gezogen.
Wenn die Neonröhren angehen – ein großes Blinzeln jedes Mal, aber kein Aufwachen. Die Soldaten verschwinden nicht, sie ziehen ihre Stiefel aus und sehen sich ihre Zehen an. Das Warten endet nicht.
Asija und ich haben Durst, man lässt uns in Čika Seads Wohnung. Nichts darin ist geschlossen: keine Tür, kein Fenster, kein Schrank, keine Anrichte, keine Schublade – nicht ein einziges Geheimnis gibt es hier noch. Auf dem Teppich liegen Messer und Gabel und Teller und Tassen und Gewürze und ein einzelner großer Schuh, in den jemand Milch gegossen hat.
Ich wasche Asij as Gesicht.
Asija wäscht mein Gesicht.
Als wir wieder im Treppenhaus sind, steht eine Soldatin mit zierlicher Nase, grünen Augen und knallrotem Haar auf unserem Platz neben Čika Hasan und liest ein Buch. Die Pausen, die das Licht einlegt, stören die schöne Soldatin, sie haut gegen den Lichtschalter. Aus einer Wohnung schiebt sie ein Sofa in den Flur und setzt sich direkt unter den Schalter.
Einmal, unmittelbar nachdem die Rothaarige das Licht angeknipst hat, deutet Asija mit einem Kopfnicken auf sie und beginnt flüsternd zu zählen. Bei hundertsiebzehn geht das Licht aus. Die Soldatin haut gegen den Schalter. Das nächste Mal sind wir schneller, flüstert Asija und beginnt wieder zu zählen. Es würde sicher reichen, uns am Schalter bereitzuhalten,
um schneller zu sein, aber wir zählen, und können uns für jede gleichzeitig geflüsterte Zahl später etwas wünschen. Bei hundert legen wir die Hände hinter dem Rücken an den Schalter, ich lasse die Rothaarige auf der anderen Flurseite nicht aus den Augen, bei hundertfünf prasselt draußen eine Gewehrsalve, bei hundertelf flüstere ich: solange wir einander nicht verlieren, können wir einander nicht vergessen, bei hundertsiebzehn lacht die Rothaarige laut, die Dunkelheit holt ihre Freude ein, ich nehme Asijas Hand, gemeinsam drücken wir den
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