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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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ihre Tochter Ema Tränen in den Augen trägt und tausend gute Wünsche für jeden übrig hat. Im grellen Laternenlicht zählte ich die Müdigkeiten in ihrem Gesicht, Falten und Schatten. Sie lächelte mich an, flüsterte: Aleks, niemand hat so einen Kopf wie du, meine Sonne, hab nur keine Angst.
    Asija, hab nur keine Angst! Ich hätte so gern mehr Erinnerungen
an dich, ich hätte gern Erinnerungen an dich von der Länge einer Reise von Essen nach Višegrad und zurück. Zurück würdest du mitkommen.
    Wasserhühnchen ist bisher das lustigste deutsche Wort.
     
    Ich grüße dich herzlich,
Alekßandar.

17. Juli 1993
    L iebe Asija, von Oma Katarina weiß ich, dass du schon letzten Winter nach Sarajevo geflohen bist. Von ihr habe ich auch diese Adresse. Sie konnte mir nicht sagen, ob du meine ersten beiden Briefe erhalten hast, es käme kaum Post an, Pakete sowieso nicht, aber auch Briefe verschwinden.
     
    DESWEGEN SCHICKE ICH IN DIESEM BRIEF 17 MARK UND 20 PFENNIG. DAS IST ALLES, WAS ICH HABE. LIEBER BRIEFÖFFNER, BEHALTEN SIE DAS GELD, ABER BITTE KLEBEN SIE DAFÜR DEN UMSCHLAG WIEDER ZU UND LASSEN SIE IHN WEITERREISEN! ES SIND NUR WORTE DARIN UND EIN VERMISSEN, UND ES WERDEN KEINE MILITÄRISCHEN GEHEIMNISSE AUSGEPLAUDERT, DENN ICH BIN KLEINER ALS 1,60m UND MIR VERRÄT NIE JEMAND WELCHE. ABER ICH MÖCHTE EINER SEHR WICHTIGEN PERSON SEHR WICHTIGE DINGE SAGEN, VON MIR AUS KÖNNEN SIE SOGAR WEITERLESEN, HAUPTSACHE, SIE WERFEN DEN BRIEF DANACH NICHT WEG! VIELEN DANK!
     
    Liebe Asija, meine Mutter arbeitet in einer Wäscherei und hat jetzt weniger Zeit, um krank zu sein. Sie sagt, in der Höllenhalle ist es so heiß, dass ihr Gehirn kocht. Mutter hat die Fähigkeit verloren, Dinge schön zu sehen. Sie raucht eine Zigarette nach der anderen, sie qualmt wie die Essener Schornsteine. Vater ist im selben Betrieb wie Onkel Bora. Die beiden sind tagelang unterwegs. Sie arbeiten schwarz. Schwarz heißt: die Arbeit macht dir den Rücken kaputt und dich gleichzeitig zum Verbrecher, obwohl du nicht wirklich klaust.

    Nena Fatima hält sich am besten. Sie kocht für uns alle und badet lang, und ich sehe ihr keinen Kummer an. Einmal erwischte ich sie beim Pfeifen, was bei dem eigentlich tonlosesten Menschen überhaupt unendlich schön klingt. Sie hat sich mit den Kassiererinnen im Supermarkt angefreundet und bringt ihnen jeden Tag Kaffee an die Kassen. Dafür darf sie Dinge klauen, die weniger als fünf Mark kosten, und die Kassiererinnen tun so, als würden sie es nicht bemerken.
    Hinter ihr Geheimnis bin ich noch nicht gekommen, sie schreibt und schreibt, ihr Zettel ist voll gekritzelt bis an den Rand. Wenn meine Eltern über Dinge reden, die wir nicht haben, wie Gesundheit und Geld und unser Haus in Višegrad, muss ich immer aus dem Zimmer, und Nena Fatima steht stramm an der Tür und hält Wache, damit ich nicht lausche. Die Dinge, die ich nicht hören darf, sind die grausamsten.
    Wenn man mich fragt, woher ich komme, sage ich, das sei eine schwierige Frage, weil ich aus einem Land komme, das es dort, wo ich gelebt habe, nicht mehr gibt. Hier nennt man uns Jugos, auch die Ungarn oder die Bulgaren nennt man Jugos, das ist einfacher für alle.
    Ich habe mein erstes Zeugnis bekommen, noch ohne Noten, außer in Mathe, aber die ist nicht der Rede wert. Es reicht zu sagen, dass mein Vorsprung sehr schnell geschmolzen ist. In Deutsch mussten wir einen Aufsatz zum Thema »Essen, ich habe dich gern« schreiben, und ich schrieb, wie man bei uns Börek macht. Jeder las seinen Aufsatz laut vor, und als ich dran war, lachte sich die Klasse schlapp. Dazu musst du wissen, dass Essen »hrana« bedeutet. Ich wusste das, aber da ich an der Stadt Essen gar nichts gerne habe, schrieb ich eben über das Hackfleisch und den Yufka-Teig. Das war ziemlich schwierig, weil ich das Wort für Hackfleisch nicht kannte, und versuch mal jemandem Hackfleisch zu erklären! Die anderen Schüler aus Bosnien kopierten das Rezept und nahmen es mit nach Hause, weil sie der Meinung waren, dass Zwiebeln nicht reinmüssen und dass man Blätterteig nehmen soll. Josip und Tomislav, zwei Jungs aus Kroatien, meinten, bei
ihnen gäbe es gar kein Börek. Kannst du dir das vorstellen, Asija? Ein börekloses Land?
    Asija, ich vermisse die launische Drina. Hier gibt es angeblich auch einen Fluss, die Ruhr, aber ich finde, nicht jedes Wasser, das fließt, muss gleich Fluss genannt werden.
    Gestern spielte ich Stadt-Land-Fluss mit Philipp, Sebastian und Susanne und wurde mit

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