Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
Vom Netzwerk:
möchte ich unbedingt – dir – schicken! Du hast auf seinem Schoß gesessen und mit ihm Kreuzworträtsel gelöst! Ach, Slavko und seine Kreuzworträtsel! Was noch? Fotos von Vladimir Iljitsch, Fotos von Tito bekommst unbedingt du. Was ist das hier? »Die Aufgaben der revolutionären Jugend« ? Ja, wunderbar! Du bist die Jugend! Ach, die Handschrift deines Opas in den Kreuzworträtseln! Ach, Titos Uniform und wie gut wir es damals hatten, wir Schafe! Ich mochte das ganze Theater drum herum nicht leiden. Meinen Slavko habe ich doch nicht wegen seiner Tagungsprotokolle und seiner Referate geheiratet. Politik umarmt miserabel! Was soll ich noch mit Arbeiterliedern und Clara-Zetkin-Briefmarken und mit Flugzetteln, die erklären, wie man sich zu verhalten hat, wenn Tito in die Stadt kommt? Punkt eins: Schmücken wir unsere Terrassen und stellen wir so viele Grünpflanzen wie möglich aus! Nehmen wir alles andere außer den Grünpflanzen, zum Beispiel Unterhosen, Bettwäsche
etc., von den Terrassen! Ja wo gibt es denn so was! Der ist auch gut, Punkt vier: Jeder soll mindestens eine Blume mitbringen, die auf die Straße zu werfen ist, und zwar hundert Meter vor dem ersten Wagen in Titos Kolonne. Auf den Wagen vom Genossen Tito darf auf keinen Fall etwas geworfen werden. Aleksandar, ich habe das alles nie gebraucht und du hast doch bestimmt immer noch Ambitionen dieser Art. Slavko und du seid zwar niemals über das Warenkapitel im »Kapital« hinausgekommen, ohne beide einzunicken, aber du hast daraus ganze Passagen auswendig zitiert. Und deine blaue Mütze und das rote Halstuch hast du sogar dann freiwillig getragen, wenn kein Feiertag war. Auch dann noch, als die Pionieruniform gar nicht mehr Pflicht war, Hände hinter dem Rücken verschränkt, wie es dein Opa immer getan hat. Beim Abschlussfest in der vierten Klasse warst du der Fahnenträger. Die halbe Schule ist hinter dir und der Roten Fahne marschiert. Deine Ohren haben vor Glück und Aufregung geglüht. Die Fahne war riesig. In einer Marschpause wurde ein Gedicht über die Stirn von irgendeinem Kommandanten aufgesagt, da hast du dich hingesetzt und die Fahne auf dem Boden abgelegt. Es gibt ein Foto, wie du dich vor der Fahne ausruhst. Das Foto möchte ich unbedingt – dir – schicken. Sag mal, öffnen die Deutschen immer noch alle Pakete aus Jugoslawien? Überwachen sie uns immer noch? Ich möchte dich nicht in die unangenehme Lage bringen, erklären zu müssen, wozu du das Material brauchst. Slavko sollte eine Rede beim neunten Kongress des BdKJ halten. Neunzehnsiebzig war das und keine kleine Sache. Es ist dann aber leider kein Referent krank geworden. Diese Rede möchte ich unbedingt – dir – schicken. Die Rolle und die Perspektiven von Ehe und Familie im Proletariat! Ach, Slavko und seine Perspektiven! Die Mutterfrage! Die Erziehungsfrage! Die sexuelle Frage! Hochaktuell! Slavko war empört über die Tugendheuchelei der Bourgeoisie! Und ich … ich war seine stolze Genossin! Ach, mein Slavko … Aleksandar, wann heiratest du endlich?

Als alles gut war
    von Aleksandar Krsmanović
     
     
    Mit einem Vorwort von Oma Katarina
und einem Aufsatz für Herrn Fazlagić

     
    Für meinen Opa Slavko

     
    A leksandar, du warst vier. Du hast bei uns geschlafen. Zwischen Opa und mir. Hattest du so am liebsten. Opa musste früh weg. Parteikomitee. Du hast gequengelt. Du wolltest mit. Er hat dir etwas zugeflüstert. Du bist ruhig geworden. Hast gelacht, gelacht hast du. Deine Mutter ist später zu uns gekommen. Sie wollte mit dir zum Frisör. Sie wusste, dass Opa nicht da war. Sonst nahm er dich immer mit. Und dann kam nichts weg. Den Denkern fallen Haare in die Stirn. So war dein Opa. Mama und ich sind in die Nachbarschaft auf einen Kaffee. Zu Amela. Zeitverschwendung, hast du gesagt. Du bist oben geblieben. Du hast deine kleinen Autos sortiert. Du hast mit ihnen nie richtig gespielt, hast sie immer nur umgeparkt. Zu jedem Auto hast du etwas erfunden. Wo es herkommt. Wer es fährt. Welche Probleme die zickige Fahrerfrau hat. Der Auspuff vom Porsche hat Partisanenlieder geröhrt. Wir sind nach einer Stunde zurückgekommen. Die Autos waren nicht geordnet. Sie lagen einfach da. Du lagst da, vor Slavkos Sofa. Du hast ferngesehen. Der Ton war leise und die Autos nicht in Ordnung. Du hast den Fernseher ausgeschaltet. Du hast dir das Haar aus der Stirn gestrichen. Die Autos lagen herum. Ich habe die Vase sofort gesehen. Dass sie nicht da war, auf dem Fensterbrett. Und

Weitere Kostenlose Bücher