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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Bilen
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Dad, Dad, Dad. Dad hat meine Reisetasche ausgepackt. Ich schüttle den Kopf und bemühe mich, mir eine sinnvolle Erklärung einfallen zu lassen. Wenn Dad glaubt, mich in den Wahnsinn treiben zu können, wenn ich an Moms und meinem Plan verzweifeln soll … Es funktioniert.
    Wenn er alles zurückgelegt hat – wo ist dann Mom?
    Ich höre noch einmal Dads Stimme: Denk ja nicht daran abzuhauen.
    Hat er sie vielleicht dabei ertappt, wie sie meine Reisetasche zum Wagen bringen wollte?
    Ich werde dich finden. Garantiert.
    Ich muss weg von hier. Rasch greife ich nach der Reisetasche und lege sie aufs Bett. Ich leere die Schubladen des Kleiderschranks auf dem Boden aus und stopfe alles in die Reisetasche. Jeans, Shorts, T -Shirts, Schuhe, eine Handvoll Socken. Ich nehme das Fotoalbum und drücke es ganz in die Tasche, so fest es geht.
    Und dann lege ich mich auf den Boden und breche in Tränen aus. Denn ich weiß, dass ich nicht weg kann. Vielleicht kam mein Vater nach Hause, als Mom ihre Sachen im Wagen verstaute, woraufhin sie sich die Ausrede mit dem Weiterbildungsseminar ausdachte. Vielleicht beschloss sie, den Plan zu ändern und zuerst einen Ort zu suchen, wo wir leben können. Wenn das der Fall ist, kehrt sie zurück, um mich zu holen. Und dann muss ich da sein.
    Obwohl ich es nicht mehr aushalte.

4
Mittwoch
    Mein Wecker muht. Es ist einer von diesen Scherzweckern, der wie eine Kuh aussieht. Matt hat ihn mir gekauft, weil er weiß, wie sehr ich alles Piepende hasse.
    Ich öffne die Augen und starre auf den Picasso-Druck an der Wand. Picasso ist mein Lieblingskünstler. Ich mag seine Bilder wegen der hellen Farben. Und weil sie hässlich sind. Man nehme nur Bildnis Dora Maar . Das ist die Frau mit dem Gesicht, das zu drei Vierteln gelb ist, die ein rotes und ein grünes Auge hat und eine Brust wie ein Dreieck. Ich sehe mir das Gesicht gern an, weil man ein Doppelbild bekommt, ohne zu schielen. Wenn ich es mir diesmal lange genug ansehe, gelingt es mir vielleicht, die Stimme in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Wo ist Mom? Warum hat sie mich nicht geholt? Wann kehrt sie zurück? Habe ich mir das Packen der Reisetasche nur eingebildet?
    Ich liege eine ganze Weile da, die Muskeln gespannt, starre Dora Maar an und drücke Sam an mich. Mehrmals habe ich versucht, ihn loszuwerden, es aber nie geschafft. Ganz ehrlich: Ich kann ihn nur weggeben, wenn ich vorher das Loch im Hals zunähe, und das wird so schnell nicht passieren.
    Wenn meine Mutter die Nähmaschine hervorholt, flucht sie immer. Eigentlich flucht sie nie, aber sie braucht nur den Nähtisch zu öffnen, schon geht’s mit dem F -Wort los. Dann versucht sie, den Faden durchs Nadelöhr zu bekommen.
    Ich habe festgestellt, dass es beim Nähgeschick eine direkte genetische Verbindung gibt. Einmal hab ich es mit Stickerei versucht. Ein Deckchen für den Toaster schwebte mir vor. (Ja, ich weiß, wer braucht schon ein Deckchen für den Toaster? Wir bestimmt nicht.) Ich habe das verdammte Ding doch glatt an den Rock angenäht, den ich trug. Ergebnis: Rock hinüber, Toasterdeckchen ruiniert. Woraus sich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass Sams Loch jemals zugenäht wird. Als Alternative bliebe nur, ihn in den Müll zu werfen, und das bringe ich nicht übers Herz.
    So gern ich auch zu Hause bleiben, mir die Decke über den Kopf ziehen oder für immer weglaufen würde – ich beschließe, zur Schule zu gehen. Vielleicht gibt es einen guten Grund, warum mich Mom gestern nicht abholen konnte. Vielleicht kommt sie heute. Und da werde ich sie beim Dairy Dream erwarten.
    Ich gehe ins Bad und mache den Fehler, dort in den Spiegel zu sehen. Meine Augen sind mehr rot als blau. Ich setze die Kontaktlinsen ein, aber sie brennen. Also nehme ich sie wieder heraus und begnüge mich mit der Brille.
    Die Dusche überspringe ich diesmal. Ich binde das Haar zum üblichen Pferdeschwanz, verzichte aber auf Schmetterlingclips und Lockenstab. Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen, kaum habe ich den Eyeliner aufgetragen. Er zerläuft. Ich kümmere mich nicht darum.
    »Morgen«, sagt mein Vater und sieht von seinem Time -Magazin und den Wheat-Chex -Zerealien auf, als ich in die Küche komme. »Soll ich dich zur Schule bringen?«
    Ein ganzer Satz, und mit freundlich klingender Stimme. Beim Frühstück redet mein Vater sonst fast nie.
    »Ja, danke«, sage ich. Ich habe ganz früh Musikprobe, kann also den Bus nicht nehmen. Sonst fährt mich Mom zur Schule.
    Während ich

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