Wie der Vater so der Tod
nicht, wie man einen Wagen restauriert. Er wechselte nicht einmal das Öl selbst.
»Oh, tut mir leid. Habe ich ganz vergessen«, sagte ich und rauschte mit Lauren an ihm vorbei. »Ich gehe zu Lauren, und wir arbeiten an einem Geschichtsprojekt.«
»Jay bringt dich nach Hause, wenn wir fertig sind«, bot Lauren an.
»Und du behauptest, dein Bruder täte dir nie einen Gefallen«, zog ich sie auf.
»Stimmt. Wenn er jemandem einen Gefallen tut, dann meinen Freunden.«
Wie dumm ich war. Wie dumm und egoistisch.
Eigentlich hatten wir gar kein Geschichtsprojekt. Es ging mir nur darum, Lauren nach Hause zu begleiten, mit einem kleinen persönlichen Umweg zu ihrem Nachbarn Ian. Anschließend ging ich zu Lauren.
»Hungrig?«, fragte Lauren, als sie in den Küchenschränken herumsuchte.
»Hast du ein paar Ritz Bits?«
»Weißt du, es gibt nur wenige Leute, die Ritz-Bits-Packungen horten.«
»Dann passt es ja, dass wir befreundet sind. Ich sehe da oben eine Schachtel«, sagte ich.
»Wie soll ich denn da rankommen? Jay!«
»Ja? Was ist los?« Jay kam aus dem Wohnzimmer und hielt die Wii-Fernbedienung in der Hand.
»Könntest du bitte die Ritz-Bits-Schachtel für Sara herunterholen?«
»Schon gut«, warf ich ein. »Ich nehme mir einen Küchenstuhl und hole sie mir selbst.«
»O nein. Jay hilft dir gern. Nicht wahr, Jay?«
»Klar. Kein Problem.« Er nahm die Schachtel und warf sie mir wie einen Basketball zu.
»Wenn du Lust auf Basketball hast, kannst du nach draußen gehen, anstatt es auf der Wii-Konsole zu spielen«, sagte Lauren.
»Oder du kannst warten und mit Matt spielen, wenn du mich heimbringst.«
»Ist dein Vater nicht bis dahin zu Hause?«, fragte Lauren.
»Ja, da hast du vermutlich recht.«
»Warum duldet er daheim keine Freunde von dir oder Matt?«, fragte Lauren.
»Zu viel Lärm.«
»Ist das nicht eher ein Problem bei Kleinkindern? Allerdings führt sich mein Bruder manchmal noch immer wie ein kleines Kind auf.«
Jay gab ihr eine leichte Kopfnuss.
»Au! Komm, Sara, überlassen wir Mister Unreif seinen Videospielen.«
Als wir in Laurens Zimmer waren und sie die Tür geschlossen hatte, legte sie los. »Und jetzt erzähl mir vom gemeinsamen Lernen mit Ian!«
»Ich kam mir so blöd dabei vor, an der Tür zu stehen und zu klingeln. Zuerst dachte ich, seine Mutter würde öffnen, aber dann stand er da. Hast du gesehen, wie toll er heute aussah?«
Lauren schüttelte den Kopf. »Hab ihn den ganzen Tag nicht gesehen.«
»Glaub mir, er sah wirklich spitze aus. ›Meine Mutter ist einkaufen gefahren‹, sagte er als Erstes. Und er hatte diesen Blick, weißt du, als hätte er mir eigentlich etwas ganz anderes sagen wollen.«
Lauren stützte das Kinn auf die Hand und seufzte.
»›Sollen wir Mathe pauken?‹, fragte er. Aber vor dem Wort Mathe legte er eine kleine Pause ein. Wir gingen also auf sein Zimmer. Er hat einen Basketballring an der Tür, und wir schlossen die Tür, damit wir ein paar Würfe machen konnten.«
»Ja, klar«, sagte Lauren und rollte mit den Augen.
»Im Zimmer herrschte das reinste Chaos, bis auf das Bett, das einigermaßen gemacht war – die Bettdecke lag schief.«
Lauren hob die Brauen.
»Ich habe also einen Wurf probiert, und Ian spielte den Verteidiger, und ich stolperte über einen Schuh, der mitten auf dem Boden lag. Ich fiel …«
»Aufs Bett«, beendete Lauren den Satz.
»Aufs Bett«, bestätigte ich und errötete.
»Und dann?«
»Wir küssten uns.«
»Und?«
»Er legte mir die Hand auf den Rock.«
»Und?«
»Dann kam seine Mutter nach Hause, und wir setzten uns an den Schreibtisch und öffneten ein Buch.«
Wie dumm von mir. Wie dumm und egoistisch.
Damit habe ich mir an jenem Tag die Zeit vertrieben, als sich mein Bruder das Gehirn aus dem Schädel schoss. Seitdem bin ich Lauren aus dem Weg gegangen, bis zum Footballspiel am Freitag. Ich hatte Angst, in ihrer Gesellschaft zu oft an Matt zu denken, und daran, dass ich nicht für ihn da gewesen bin. Aber aus irgendeinem Grund ist das am Freitag nicht passiert. In Laurens Nähe habe ich mich sogar besser gefühlt.
Unternehmen wir noch die Radtour, Sara? Jeden Abend vor dem Einschlafen gebe ich die richtige Antwort, aber wenn ich am nächsten Morgen aufwache, hat sich nichts geändert.
Viertel nach eins. Hier sitze ich mitten im Nichts auf einem Kürbisfeld und tue so, als wäre alles völlig normal, während mein Vater es gar nicht sehen kann – er ist noch nicht von der Arbeit zurück. Was hat ihn
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