Wie der Vater so der Tod
fragt die Frau, die zuvor die Tür geöffnet hat.
Nein, ich brauche und möchte keine Limonade, aber ich will auch nicht, dass der kleine Mann irgendwas über seine Beziehung zu meiner Mutter zurückhält, weil diese Frau dabei ist. »Ja, bitte«, sage ich daher. »Mit viel Eis.« Hoffentlich geht es ihrer Eismaschine wie unserer, die oft verstopft ist. Wir müssen immer wieder die Schublade öffnen und das Sammelbecken schütteln. Was in diesem Fall laut genug sein sollte, um unser Gespräch zu übertönen.
Die Frau sieht Alex an. »Du auch?«
Vermutlich bemerkt er mein Nicken. »Ja, gern«, antwortet er.
Als sie das Zimmer verlassen hat, fasse ich mir ein Herz. »Ich bin überrascht, dass Sie in letzter Zeit keinen Kontakt mit meiner Mutter hatten«, sage ich. »Sie spricht oft von Ihnen.«
»Freut mich zu hören. Ich wollte immer mal anrufen.«
Ich warte und lasse die Stille zwischen uns ein wenig unangenehm werden, damit er »He, kleiner Scherz« sagt und meine Mutter aus dem Hinterzimmer herbeiruft. Aber das geschieht nicht.
Ich sehe mich um. Bei den Tierfiguren stehen viele Fotos, die Mr. Paterson mit der Frau zeigen. Vermutlich ist es seine Ehefrau, denn er trägt einen Ehering, und auf manchen Bildern hat er den Arm um sie gelegt. Keine Kinder oder Freunde, nur sie und der sabbernde alte Hund.
Mrs. Paterson kehrt mit der Limonade zurück. Meine hat tatsächlich viel Eis drin, und dadurch ist es einfach, die Limo in wenigen Schlucken zu trinken. Sie ist auch gerade süß genug, so wie Mom sie gemacht hätte. Fast möchte ich um ein zweites Glas bitten.
»Wir sind hier, weil …« Ich zögere, trinke den Rest meiner Limonade und halte nach Veränderungen in den Gesichtern Ausschau. Mrs. Paterson starrt ein bisschen ins Leere, und Mr. Paterson sitzt auf dem Rand seines Sessels.
Ich möchte das Glas auf den Couchtisch stellen, aber es gibt keine Untersetzer, und der Tisch sieht besser aus als unsere Hartfaserplatte daheim. Deshalb setze ich das Glas auf den Boden, auf den Teppich. Sofort kommt der Hund und versucht, die versabberte Schnauze hineinzustecken. »Wir möchten Sie zu einer Überraschungsparty für meine Mutter einladen«, sage ich und sehe Mr. Paterson in die Augen.
Das scheint Mr. Paterson ein wenig zu verwirren. Alex hingegen gibt sich ganz cool, nickt, lächelt und schüttelt das Eis in seinem Glas.
»Hat sie nicht im November Geburtstag?«, fragt Mr. Paterson.
Wieso kennt er den Geburtstag meiner Mom? Hat er nur ein gutes Gedächtnis, oder steht er ihr näher, als er zugibt? Ich denke rasch nach. »Ja, aber ich möchte, dass die Eingeladenen weit genug im Voraus planen können. Außerdem waren wir wegen des Grillfests in der Nähe. Dort gibt’s leckere Sachen. Sie sollten hinfahren.«
»Machen wir vielleicht.« Mr. Paterson hebt die Schultern. »Und wann?«
Ich sehe Alex an. »Ich erinnere mich nicht genau, was auf dem Schild stand. Bis sechs Uhr?«
Alex nickt.
»Nein, nein«, sagt Mr. Paterson. »Ich meine den Geburtstag.«
»Vierzehnter November.«
»Ist das ein Samstag?«
»Ja.« Ich habe keine Ahnung, welcher Tag es ist. Ich hoffe, dass die Patersons es ebenfalls nicht wissen.
»Na schön. Wir notieren es im Kalender.« Mr. Paterson steht auf. Ich bücke mich und will das von Hundesabber kontaminierte Glas aufheben.
»Überlass das mir!« Mr. Paterson führt uns durch die Küche zurück zur Fliegengittertür.
»Danke für die Limonade«, sage ich. Der Labrador Retriever steigt an mir hoch und leckt mir die Wange. Ich will nicht unhöflich sein und wische den Schleim nicht ab. Als wir zum Wagen gehen, kühlt ihn der Wind auf meiner Wange.
Im Auto lege ich den Kopf an Alex’ Schulter. Was ich an ihm besonders gut finde: Für ihn ist es völlig okay, mich einfach nur zu halten, auch wenn er den Grund nicht versteht. Mir wird klar, wie verkorkst meine Situation ist. In einigen Tagen kommt meine Mutter, um mich zu holen, und dann muss ich Alex verlassen.
Und wenn sie nicht kommt, kann es nur eins bedeuten.
Dass sie tot ist.
9
Samstag
Zwanzig nach zwölf. Mir bleiben etwa fünf Minuten, bis Dad nach Hause kommt. Vielleicht ist er schon da. Am Samstag verlässt er die Arbeit immer um zwölf. Als wir uns der Zufahrt nähern, werden meine Hände feucht. Ich möchte nicht, dass Alex meinem Vater begegnet, denn Dad ist immer unhöflich zu meinen Freunden, auch zu denen von Matt und Mom. Ich wische die Hände an den Jeans ab und seufze erleichtert, als ich sehe, dass das
Weitere Kostenlose Bücher