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Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ahrens
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Ostblocks.
    In den Fünfzigerjahren führten der Wiederaufbau, das Einziehen von Rekruten zur Bundeswehr und der wirtschaftliche Boom in Westdeutschland zu einem massiven Arbeitskräftemangel. Große Teile Südeuropas und der Türkei hatten dagegen das umgekehrte Problem– somit lag es nahe, einmal mehr in diesen Regionen nach Arbeitskräften Ausschau zu halten. Die ersten wurden 1955 in Italien angeworben, ab 1960 folgten Spanien und Griechenland, ab 1961 die Türkei, ab 1964 Portugal und 1968 das damalige Jugoslawien. Zum Zeitpunkt des Anwerbestopps 1973 lebten in der Bundesrepublik rund drei Millionen » Gastarbeiter « und deren Familienangehörige. Wobei die derart Titulierten oft so großen Geschmack an ihrem » Gastaufenthalt « fanden, dass sie sich in ihrer neuen Heimat dauerhaft einrichteten. Das deutsche Volk hatte somit erneut massiven Zuwachs bekommen, und dem konnte sich irgendwann auch die Politik nicht mehr verschließen. Ende der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wagte sich der erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Heinz Kühn, mit der Feststellung vor, (West-)Deutschland sei » faktisch ein Einwanderungsland « .
    Ähnliches galt im Prinzip auch für die DDR , wenngleich in weit geringerem Ausmaß. Hier blieb man im sozialistischen Lager natürlich unter sich und holte Arbeitskräfte aus Ländern wie Polen, Kuba, Vietnam und Mosambik. Viele von ihnen heirateten deutsche Frauen und wurden zu DDR -Bürgern, andere bemühten sich nach 1990 um Einbürgerung im wiedervereinigten Deutschland.
    Nicht vergessen darf man auch die Vielzahl der Asylsuchenden aus Diktaturen und Krisengebieten. In die Bundesrepublik flüchteten während der deutschen Teilung Dissidenten aus praktisch allen Ländern des Ostblocks, Juden aus der Ud SSR und (wie auch heute noch) verfolgte Kurden aus der Türkei. Gegenwärtig kommen die meisten Asylbewerber aus Afghanistan, dem Irak, dem Iran und Syrien.
    Insgesamt haben heute rund 16 Millionen in Deutschland lebende Menschen (mit oder ohne deutschen Pass) einen » Migrationshintergrund « – also rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Lässt man die zeitliche Beschränkung weg und betrachtet die zurückliegenden Jahrtausende, dann kommt man vermutlich auf annähernd 81 Millionen. Überspitzt gesagt: Letzten Endes sind wir alle Abkömmlinge von Migranten– in welcher Form auch immer. Oder sagen wir’s poetischer: Wir alle sind unter einem Wandelstern geboren ( » born under a wand’rin’ star « , wie Lee Marvin in dem Filmmusical Westwärts zieht der Wind so herzerweichend brummt).
    Milch und Wasser also, um es noch einmal mit Buddha zu sagen– in den verschiedensten Spielarten und Konzentrationen. Umso widersinniger mutet es an, dass die verquere Praxis der Kaiserzeit bis heute fast unverändert fortgeschrieben wird. Kein Land der Welt ist so eifersüchtig (und vergeblich) um seine nationale Identität besorgt wie ausgerechnet Deutschland, kaum ein anderes– außer Israel und Japan– trennt Bevölkerungsgruppen so penibel nach Einheimischen und Immigranten. Noch 1991 sorgte ein » Ausländergesetz « dafür, dass zwischen dem deutschen Kumpel Schimanski und seinem türkischen Kollegen Özkan streng unterschieden wurde. Dabei waren bis zu diesem Datum beispielsweise schon 25 Prozent aller minderjährigen Kinder türkischer Eltern in Deutschland geboren.
    Was heißt es also, deutsch zu sein? Als gemeinsame Klammer bleibt im Grunde nur eines: Wer sich in unserem Land und in unserer Sprache zu Hause fühlt, der ist Deutscher. Es gibt keine andere Definition, die wirklich brauchbar wäre (von der Staatsbürgerschaft mal abgesehen). Da muss kein » deutsches Blut « durch die Adern strömen und kein Familienstammbaum bis zum Römerschreck Arminius zurückreichen (der im Übrigen ja auch noch gar kein » Deutscher « war, sondern zu dem relativ kleinen Stamm der Cherusker zählte). Nein– das deutsche Volk besteht und bestand schon immer aus denen, die hier ihre Heimat gefunden haben.
    [9] Dirk Hoerder: Geschichte der deutschen Migration, München 2010.
    [10] In der Schlacht bei Königgrätz besiegten im Deutschen Krieg die Truppen Preußens am 3. Juli 1866 die Armeen Österreichs und Sachsens und begründeten damit die preußische Vorherrschaft innerhalb Deutschlands.

Deutschland
    Ein Jahrtausendmärchen
    Im traurigen Monat November war’s,
    Die Tage wurden trüber,
    Der Wind riß von den Bäumen das Laub,
    Da reist ich nach Deutschland hinüber.
    Klar,

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