Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ahrens
Vom Netzwerk:
wahrhaft babylonische Sprachverwirrung lässt ahnen, dass Frikadellen weit über Deutschland hinaus verbreitet sind und zudem eine längere Geschichte haben. Tatsächlich experimentierten englische Köche schon im Mittelalter mit klein gehacktem Fleisch, und die ersten Hackfleischklopse wurden mit großer Wahrscheinlichkeit im 16. Jahrhundert unter dem Namen Frikadel in den Niederlanden gebraten. In Schweden kennt man die Variante Köttbullar, in Österreich Faschierte Laberl oder Fleischlaberl, in der Schweiz Hacktätschli, in Italien Polpette, in Ungarn Fasírozott, auf dem ganzen Balkan Ć evap č ići, in Griechenland Keftedes, in der Türkei Köfte und in der arabischen Welt Kufta – alles enge Verwandte unserer deutschen Frikadellen. Nicht zu vergessen die Rohfleisch-Variante Steak Tatar, die der Legende nach auf das asiatische Steppenvolk der Tataren zurückgeht, tatsächlich aber erstmals im 20. Jahrhundert in Frankreich unter dem Namen Steak à l’Americaine serviert wurde.
    Wie auch immer– das alles zeigt, dass Frikadellen zum Multikulturellsten gehören, was hierzulande auf den Tisch kommt. Ausgerechnet die Idee aber, eine Frikadelle zwischen zwei Brötchenhälften zu packen und das Ganze » Hamburger « zu nennen, ist ironischerweise mit hoher Wahrscheinlichkeit deutschen Ursprungs, obwohl sie in aller Welt als amerikanisch gilt.
    Es kursieren zu viele Geschichten und Legenden über die Entstehung des Hamburgers, um sie hier alle auszubreiten. Die gängigste Theorie besagt, das sogenannte » Hamburger Stück « , eine aus gebratenem Rindfleisch bestehende Spezialität der hanseatischen Küche, sei mit deutschen Auswanderern nach Amerika gelangt und dort– zunächst unter dem Namen Hamburger Steak – zum Fleischklops mutiert. Tatsächlich taucht das Hamburger Steak als Arme-Leute-Essen in amerikanischen Kochbüchern gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf, in gebratener wie in roher Form. Das » Hamburger Stück « gibt es in Hamburg noch immer, allerdings wird damit heute eine Wurstsorte bezeichnet. Näher am Hamburger ist das populäre » Rundstück warm « – bestehend aus einer Scheibe Braten mit Soße, die zwischen dem Ober- und Unterteil eines runden Weizenbrötchens klemmt.
    Aber wie, wann und wo kam es in den USA zur Vermählung von Brötchen und Hamburger-Steak, also Hacksteak? Verbürgt ist, dass an einem Stand auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis/Missouri Frikadellenbrötchen in ihrer heutigen Form unter dem Namen Hamburg (noch ohne die Endung » er « ) verkauft wurden. Über den wahren Ursprung dieses größten kulinarischen Hits der Weltgeschichte streiten sich allerdings die Gelehrten und Köche. In der noch heute existierenden Imbissbude Louis’ Lunch in New Haven/Connecticut behauptet man, dort sei der Hamburg(er) im Jahr 1900 erfunden worden, als ein eiliger Gast auf die Schnelle etwas zum Mitnehmen suchte. Nach einer anderen Lesart dachte sich der Standverkäufer Charlie Nagreen (genannt » Hamburger Charlie « ) dieselbe Kreation schon 1885 auf einer Messe in Seymour/Wisconsin aus, damit die Messebesucher während des Herumschlenderns gleichzeitig essen konnten. Auf jeden Fall scheinen Hamburger in den USA vom Start weg ein Verkaufsschlager gewesen zu sein.
    » Er lehnt sie ab mit stillem Dank « heißt es in der Fortsetzung unserer beiden Eingangszeilen über die Frikadellen. Womöglich, weil 1876 noch das Brötchen fehlte? Angesichts der Tatsache, dass heutzutage allein bei McDonald’s Deutschland pro Tag geschätzte zwei Millionen Hamburger-Bratlinge auf den Grill und in deutsche Mägen wandern, kann diese Deutung nicht ganz abwegig sein.

Frühstücksei
    Weiche Tatsachen aus Exeter
    Zum Frühstück hat er immer weiche Eier gegessen;
    das sah man, weil sein Bart voll Dotter war. [12]
    Igittigitt! Aber mal abgesehen von den gelben Flecken im Kinnhaar– schildert der bayerische Volksschriftsteller Ludwig Thoma hier nicht einen ganz und gar deutschen Brauch? Das Frühstücksei, zumindest am Wochenende, gehört doch schließlich zu uns wie das in Milchkaffee getunkte Croissant zum Franzosen und der Espresso zum Italiener. Mehr noch, es trägt alle Züge eines erhabenen Kulturguts: Einschlägige Zitate finden sich in literarischen Werken fast jeder Epoche, alljährlich zu Ostern toben wir am Ei unsere Kreativität aus, und das Mysterium seiner richtigen Garzeit beschäftigt seit Generationen die klügsten Köpfe des Landes. In einem schon legendären Zeichensketch von Loriot

Weitere Kostenlose Bücher