Wie deutsch ist das denn?!
erster europäischer Herrscher afrikanische Militärmusiker beschäftigte.
Afrika, Preußen und die Türkei– welch eine Mischung! Aber sie kam an: Marschmusik und Türkenmusik waren in Europa zeitweise fast Synonyme (auch wenn sich die Melodik bei uns weitgehend dem abendländischen Geschmack anpasste). Tatsächlich trugen preußischeund sächsische Militärmusiker bis ins frühe 19. Jahrhundert die offizielle Bezeichnung » Janitschar « . Auch die klassische Kunstmusik wurde von den türkischen Klängen in vielfältiger Weise beeinflusst: Entsprechende Elemente finden sich zum Beispiel in MozartsOper Die Entführung aus dem Serail, in Joseph Haydns Sinfonie Nr. 100 (Militärsinfonie) oder in Beethovens Vertonung der Ode an die Freude im Finale der 9. Sinfonie.
Seine Blütezeit erlebte der Militärmarsch in der preußischen Glanz- und Glorienzeit des 18. Jahrhunderts und später während der Befreiungskriege– weswegen er bis heute vielen als typisch deutsch gilt, wenn nicht gar als typisch preußisch.
Auch jenseits des Atlantiks verbreitete sich diese Musiktradition fast parallel zur Alten Welt, und wie so vieles nahm sie dort noch stärker multikulturelle Züge an. In den Südstaaten der USA , besonders in New Orleans, entstanden schon ab 1865 afroamerikanische marching bands mit farbigen Musikern. Das Ende des Sezessionskrieges, die Abschaffung der Sklaverei und die Auflösung der militärischen Musikkorps verbanden sich hier zu einer Gemengelage, in der etwas völlig Neues entstand: Märsche mit eingelagerten afrikanischen Elementen– denen letztlich der Jazz eine seiner frühen Wurzeln verdankt.
Berühmt wurden dann vor allem die Märsche des Washingtoner Komponisten John Philip Sousa (1854 –1932), dessen Vater aus Portugal und dessen Mutter aus Bayern stammte– was wiederum zu einer ganz eigenen musikalischen Mischung führte. So sind seine Werke, anders als deutsche und österreichische Märsche, samt und sonders im schnelleren » französischen « Tempo gehalten, was ihnen eine betonte Leichtfüßigkeit gibt. Mit über 100 populären Titeln, die zum Standardrepertoire von Blaskapellen in aller Welt gehören, gilt Sousa bis heute als der » König der Marschmusik « . Seine patriotische Komposition Stars and Stripes Forever aus dem Jahr 1897 genießt in den USA sogar den Status einer Art zweiten Nationalhymne.
Heute gibt es praktisch kein Land mehr, das nicht über eigene Militärkapellen und Märsche verfügt. Die Marschmusik ist zur Weltmusik geworden, und das im globalsten Sinn des Wortes. Selbst im künstlerischen Werk des amtierenden thailändischen Königs Bhumibol Adulyadej (der sich nebenbei als passionierter Saxophonist und Komponist betätigt) findet sich ein Militärmarsch– der Royal Guards March, den Seine Majestät 1948 für das 1. Infanterieregiment seiner Leibwache kreierte. Wer sowohl Marschmusik als auch Tropensonne liebt, kann sich die nächste öffentliche Aufführung ja schon mal als Termin für den Thailand-Urlaub vormerken.
[20] Aus dem Werner-Comicband Exgummibur.
[21] Gemeint ist der Maréchal de Saxe (Marschall von Sachsen), Hermann Moritz Graf von Sachsen (1696 – 1750), der als Generalmarschall in Frankreich diente.
Mülltrennung
Vive la poubelle!
» Sie stellen Küchenschränke mit immer neuen Mülleimern zu, nehmen die Fliegen über der Biotonne hin, und dann schaffen sie den so getrennten Abfall noch zum Wertstoffhof. Jedenfalls, sofern der Vorgarten nicht von fünf verschiedenen Tonnen vollgestellt ist. «
So ätzte am 29.10.2011 ein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung über die Deutschen und ihre Mülltrennungswut. Übertreiben wir es womöglich mit der Umweltbeflissenheit? Bringt uns die Mülltrennung unter dem Strich mehr Plagen als Segen? Auf jeden Fall ist sie eine typisch deutsche Erfindung, so scheint es. Lückenlos, pedantisch und durchgeplant bis ins kleinste Detail: Ein solches Organisationsmonster können nur Ordnungs- und Gründlichkeitsfanatiker wie wir in die Welt setzen. Schon der Name des Paragraphenwerks, das all diese Vorgänge regelt, sieht uns ähnlich: » Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz « , abgekürzt mit dem ebenfalls sehr deutschen Zungenbrecher KrW-/AbfG.
In der Tat, die Neigung zu unaussprechbaren bürokratischen Kürzeln dürfen wir wohl getrost als nationale Eigenheit verbuchen (wobei sich besagtes Gesetz gegenüber Juwelen wie Eu RH i ISRÜ bkErgVtrG oder SozSichAbkÄndAbk2 ZA bk TURG noch eher bescheiden ausnimmt).
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