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Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ahrens
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Politik und Geschäfte, Gott und die Welt diskutiert, und das weibliche Geschlecht hatte dabei selbstverständlich nichts verloren. In den folgenden Jahrzehnten wurden die coffeehouses in dieser Rolle allmählich von den legendären Gentlemen’s Clubs abgelöst, die damit ebenfalls auf eine wesentlich längere Tradition zurückblicken als der deutsche Stammtisch. Den Höhepunkt ihres gesellschaftlichen Einflusses erreichten die Clubs im 19. Jahrhundert. Damals repräsentierten sie einen großen Teil dessen, was man seinerzeit unter » Establishment « verstand. Geschäftsleute und Politiker, Dandys und Mitglieder des Adels widmeten sich hier dem gepflegten Austausch über gemeinsame Interessen wie Politik, Sport, Reisen, Kunst und Kultur. Auch Wetten war ein populärer Zeitvertreib, wie ihn uns Jules Verne in seinem Roman Reise um die Erde in 80 Tagen höchst unterhaltsam vor Augen führt.
    Heute gibt es Gentlemen’s Clubs rund um die Welt, speziell in den USA und den britisch geprägten Ländern des Commonwealth wie Australien, Südafrika und Indien, wo die Mitgliedschaft nach wie vor den errungenen hohen sozialen Status dokumentiert.
    In Spanien wiederum und in seinen früheren Kolonien– also in ziemlich vielen Ländern der Welt– finden sich die sogenannten tertulias, die mit dem deutschen Stammtisch noch mehr Ähnlichkeit aufweisen. Diese regelmäßigen Gesprächsrunden kamen im 17. Jahrhundert auf und finden bis heute üblicherweise in einer Cafeteria statt. Häufigkonzentrieren sich tertulias auf bestimmte Interessen und gleichen damit Tausenden von Stammtischen in Deutschland, die sich ebenfalls mit einem eingegrenzten Themenkreis befassen. So diskutiert man zum Beispiel über Stierkampf, Fußball, Literatur oder Theater. Die Bedeutungvon tertulia ist im Spanischen übrigens weit gefasst– das Wort kann unter anderem auch » Kaffeekränzchen « oder » Talkshow « bedeuten.
    Sieh einer an! Sind mittlerweile nicht auch viele deutsche TV -Talkshows fast dasselbe wie Stammtische (und heißen sie nicht manchmal auch so)? Immer dieselben Plaudertaschen, die sich zuverlässig in immer denselben Runden treffen? Betrachtet man es von dieser Warte, dann markiert unser gutes altes Stammtischwesen wirklich einen internationalen Megatrend. Ob Wirtshaus oder Cafeteria, ob Chatforum, Facebook oder Fernsehshow– gemeinschaftliches Hocken und Reden war als Zeitvertreib und Medienfüller nie populärer als heute. Also, ihr Podiumsteilnehmer, Twitterer, Blogger und Anne-Will-Stammgäste: Welcome to the club!
    [25] Süddeutsche Zeitung vom 23.06.2012.
    [26] Quelle: Goethe-Institut.

Teutonen
    Barbarische Verwechslung
    Es ist schon seltsam: Immer wenn wir uns über uns selber lustig machen (oder wenn sich vermeintlich kultivierte Deutsche über den vermeintlich tumben und plumpen Rest des Volkes mokieren), erfolgt ein nahezu reflexhafter Griff zu der Wortschablone » Teutonen « . Wie oft etwa die von deutschen Touristen heimgesuchten Mittelmeerstrände als » Teutonengrill « veräppelt wurden, lässt sich vermutlich kaum mehr zählen. Aktuell finden sich für das Wort im Internet über 65 000 Treffer– gemünzt auf deutsch besetzte Grillstationen von Malle bis Rimini.
    Aber sind es wirklich Abkömmlinge der Teutonen, die da in der mediterranen Sonne brutzeln? Teutonen gleich Deutsche, sowohl wort- als auch geistesverwandt?
    Klare Antwort: zum Glück nein! Ebenso gut könnte man die Russen als Tataren bezeichnen, und es wäre ebenso absurd. Zwar waren die Teutonen ein Germanenstamm, aber dessen Heimat lag zum größten Teil im Gebiet des heutigen Dänemark. Die Bezeichnung » Teutonen « hat auch nichts mit dem Wort » Deutsche « zu tun– vielmehr geht sie auf die altrömische Wurzel teutones oder teutoni zurück, deren Ursprung nicht sicher geklärt ist. Möglicherweise stammt das Wort aus dem Keltischen. » Deutsch « dagegen kommt vom althochdeutschen diutisc (  » Deutsche Sprache « ), und dieses wiederum ist abgeleitet von dem germanischen Substantiv theot (=Volk oder Stamm). Auch die im Mittelalter eingeführte lateinische Bezeichnung Ordo teutonicus für den Deutschen Orden ist also sprachlicher Kokolores. Genauso daneben liegen folglich die zahllosen deutschen Vereine und Burschenschaften, die sich mit dem Zusatz Teutonia schmücken.
    Und der Teutoburger Wald? Klingen in diesem Namen nicht unübersehbar die Teutonen an? In der Tat, so weit es die ersten fünf Buchstaben betrifft– aber dabei handelt es

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