Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
hatte, dass er für die erste Mahlzeit auf dieser beschissenen Reise nach Nirgendwo ein Haustier umgebracht hatte. Ich zog mich an, stopfte ein paar Dinge in meinen Rucksack, und schon stand ich an der Vortreppe unseres derzeitigen Domizils. Die Grillen zirpten noch.
» Wo willst du denn hin?«, fragte Cortez.
» Ach, nicht weit«, antwortete ich. » Ich habe eine Stelle entdeckt, die so aussieht, als könnten da Pilze wachsen. Aber es kann eine Weile dauern, bis ich ein paar finde.«
» Ich komme mit«, sagte Ange.
» Nein, du würdest dich bloß langweilen.«
» Na klar, aber wenn ich hierbleibe, langweile ich mich noch mehr.« Sie warf sich ihren Rucksack über. Ich zerbrach mir den Kopf auf der Suche nach einer besseren Ausrede, warum sie nicht mitkommen konnte, aber mir fiel nichts ein.
» Fertig?«, fragte Ange. Cortez reichte mir eine Pistole. Ich kam immer noch nicht damit klar, wie sehr dieser Mann sich verändert hatte, seit wir uns kennengelernt hatten. Damals war er einer von denen gewesen, die mit ihrem offensichtlich vor dem Spiegel eingeübten Gang den starken Mann markierten. Jetzt schien er sich einfach wohlzufühlen in seiner Haut und in dieser Welt.
Sobald die anderen uns nicht mehr hören konnten, sagte ich zu Ange: » Ich will eigentlich gar keine Pilze suchen.«
» Das habe ich irgendwie gespürt. Also, wo gehen wir hin?«
» Als wir herkamen, sind wir an einer Farm vorbeigegangen, ungefähr eine Meile von hier. Ich will versuchen, etwas zu essen zu klauen.«
Ich beobachtete Anges Reaktion. Sie nickte angespannt. » Okay.«
» Eigentlich bin ich gegen Stehlen«, sagte ich.
» Das weiß ich. Aber dir ist klar geworden, dass die Regeln sich ändern müssen, wenn wir am Leben bleiben wollen. Wir anderen müssen verdammt noch mal auch endlich die Augen aufmachen und das kapieren.«
Und das war alles. Ange und ich kamen gut vorwärts. Sie besaß ein Talent dafür, den besten Weg durch den Bambus zu finden. Sobald wir die Gleise erreicht hatten, gingen wir schneller.
Die Farm bestand bloß aus ein paar Morgen gerodetem Land, einem Wohnhaus, einem Silo und einigen Pferchen für die Tiere. Alles war von einer Rhizomsperre umgeben. Im Schatten des Hauses schliefen ein paar Hunde.
Ich gab Ange die Pistole. » Wenn nur einer von uns geht, ist die Gefahr, dass wir erwischt werden, nicht so groß. Ich bin gleich wieder da.« Bevor Ange mir widersprechen konnte, sprintete ich schon mit wild klopfendem Herzen über eine Lichtung. Ich blieb hinter dem Silo stehen, suchte den Hof nach Anzeichen für Menschen ab, dann ging ich zur Vorderseite des Silos und schaute hinein.
Es war leer.
Ich hatte mir vorgestellt, dass es irgendein Getreide enthalten würde– im Rucksack hatte ich eine Tragetasche, die ich damit hatte füllen wollen. Wo konnte man auf einer Farm sonst noch etwas zu essen finden? Ich hatte keine Ahnung.
Ein Schwein quiekte.
Ich huschte wieder hinter das Silo und schaute mir die Pferche an. Mist, ich wollte kein Ferkel umbringen und auch kein Huhn. Aber gab es noch etwas anderes Essbares, außer im Wohnhaus?
» Hände hoch.« Als Erstes sah ich das Gewehr. Der Mann, der es hielt, war etwa zwanzig: Ein kräftiger Kerl, mit strammen Waden und einem Specknacken, tauchte unter den Pekannussbäumen auf. Ich hob die Hände.
» Ich bin euch Diebe wirklich leid.« Sein Tonfall, die Verachtung in seiner Stimme, war mir so vertraut. Ich war wieder ein Zigeuner.
» Entschuldigen Sie, wir haben einfach großen Hunger«, sagte ich.
» Das heißt doch nicht, dass ihr uns beklauen könnt!«
» Ich weiß. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor«, sagte ich.
» Tut mir auch leid«, sagte er. Er wischte sich mit einer Hand über den Mund. Sie zitterte heftig. » Wenn es die Polizei noch gäbe, würden wir dich denen übergeben, aber heutzutage erschießen wir Plünderer sofort.«
Er hob das Gewehr und zielte auf mich.
» Nein!« Ich streckte die Hände nach vorn, als könnte ich die Kugel abwehren, kniff die Augen zusammen, als könnte ich mich so verstecken. Ich schrie, als er feuerte, einmal, zweimal. Für einen Augenblick setzte mein Bewusstsein aus, in meinen Ohren brauste es, die Welt drehte sich um mich herum.
Dann öffnete ich die Augen wieder und schaute auf meine Brust hinunter. Ich verstand nicht, warum ich nicht auf der Erde lag, warum kein Blut zu sehen war.
Aber der Mann mit dem Gewehr lag auf dem Boden.
Vom Haus her ertönten Rufe. Leute kamen angerannt. Auch sie hatten
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