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Wie du befiehlst

Wie du befiehlst

Titel: Wie du befiehlst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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bemerkte, dass die anderen irgendetwas unter dem Tisch zu machen schienen, doch wenn sie, wie sie hoffte, unauffällig, unter die Tischdecke lugte, waren alle Beine und Füße genau dort, wo sie hingehörten. Auch saß kein entblößter Albert mit Hun­dehalsband unter dem Tisch, um es seinem Herrn zu besorgen. Die Idee war zwar absurd, doch nicht gänzlich unmöglich in diesem Haus.
    Nachdem man auch den Nachtisch zu sich genommen hatte, hatten es alle eilig, so schnell wie möglich wieder aufzubrechen, so dass nur eine verwunderte Melissa am Tisch zurückblieb, während Albert die Teller abräumte.
    Es kostete sie einiges an Überwindung, den Diener anzusprechen, nachdem er in ihre kleine Session geplatzt war. Aber er war im Augenblick der einzige Ansprechpartner, und Melissa wurde das Gefühl nicht los, dass hier etwas vor sich ging. Etwas, von dem sie nichts wusste, in das man sie nicht einweihte.
    Â»Haben Sie eine Idee, wo die anderen so schnell hin sind?«
    Albert, der optisch zwar jung war, doch die Mimik eines alten Mannes hatte, hob pikiert eine Braue. »Das geht mich nun wirklich nichts an, Miss.«
    So, so. Plötzlich zeigte Herr Albert Manieren. Das Intermezzo in der Küche ging ihn auch nichts an, aber da hatte er seine guten Vorsätze ganz schnell fallen lassen und ihnen ungeniert zugesehen.
    Albert beugte sich zu einem der Stühle herunter, weil er dort offensichtlich etwas entdeckt hatte, und hob ein Stück Papier auf, das wie ein kleiner Umschlag aussah. Offenbar hatte es jemand versehentlich liegen lassen. Er wollte es schon zusammenknüllen, doch Melissa hielt rasch die Hand auf.
    Â»Geben Sie mal her«, bat sie. Albert zögerte, gab dann allerdings nach und verschwand aus ihrer Sichtweite.
    Rasch öffnete sie den Umschlag, in dem ein winziger Brief steckte, auf dem nur ein Ort und eine Uhrzeit standen: 14.30 Uhr, Wasserfall.
    Melissa sah auf die Uhr. Kurz vor zwei. Der Sache musste sie nachgehen. Hier wurde irgendetwas gespielt, und das ohne sie!
    Sie erhob sich und eilte in die Küche, wo sie Albert zu finden hoffte. Und in der Tat stand er an der Spüle, grüne Gummihandschuhe übergestülpt und mit einer Geschirrbürste die Reste von den Tellern kratzend. Er erschrak über ihr ungestümes Hereinplatzen.
    Â»Keine Spülmaschine?«, fragte sie überrascht.
    Â»Leider außer Betrieb. Ich habe schon einen Techniker ­angerufen.«
    Â»Verstehe. Sagen Sie, Albert, wo gibt es hier einen Wasserfall?«
    Â»Südlich vom Haus. Warum fragen Sie, Miss?«
    Â»Weil ich ihn mir … gern mal ansehen würde.«
    Â»Er ist sehr schön, wird Ihnen gefallen, Miss.«
    Â»Davon bin ich überzeugt.«
    Sie wollte schon gehen. »Ach, Miss?«
    Â»Ja, Albert?« Ihr war es immer noch peinlich, dass er sie in dieser äußerst pikanten Situation beobachtet hatte. Glück­licherweise schien er den Vorfall aber zu ignorieren, und sie würde das Gleiche tun.
    Â»Wenn ich Ihnen eine Empfehlung geben darf?«
    Â»Ja, was denn, Albert?«
    Â»Satteln Sie doch eins der Pferde.«
    Â»Es gibt hier Pferde?«
    Â»Aber ja, gleich um die Ecke«, er deutete zu dem Fenster auf seiner Linken, »ist der Stall.«
    Â»Das ist ja wunderbar!« Als junges Mädchen hatte sie Pferde geliebt und jeden Sommer auf dem Reiterhof verbracht. Es gab kaum etwas Schöneres, als zu reiten.
    Â»Guter Tipp, danke, Albert.«
    Er nickte lediglich und widmete sich wieder dem Geschirr.

    Melissa hatte rasch eine braune Stute gesattelt und trieb sie nun am Strand entlang Richtung Süden. Die Wellen schossen ihr entgegen, spritzten hoch hinauf bis zu ihren Schultern. Die Stute wieherte, begann, noch schneller zu laufen. Melissa fühlte sich wie eines der Models aus der Werbung, das an einem traumhaften Strand dem Horizont entgegenritt. Sie fühlte sich frei. Wirklich frei. Ungezwungen. Dies war ihr Abenteuer. Sie hatte es zunächst nicht erkannt, es mehr als Bedrohung wahrgenommen, aber nun wusste sie, dies alles war ein Geschenk.
    Sie lenkte das Pferd rechts ein, saß noch im Lauf ab und band die Zügel an eine Palme. Von hier an wollte sie zu Fuß gehen. Die Wege wurden unebener, und es war hier dichter bewachsen als an anderen Stellen der Insel. Eine kleine tro­pische Oase.
    Melissa straffte die Schultern und verschwand im Dickicht, schob riesige grüne Blätter zur Seite,

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