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Wie du Ihr

Wie du Ihr

Titel: Wie du Ihr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Beckett
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und ihn zum Schweigen gezwungen hatte. Wie ich ihn dazu gebracht hatte, mich hierher zu führen, und das Notizbuch und den Stift unter meinem Schlafanzug verborgen hatte, ohne dass er es merkte. Aber er hat mich reingelegt. Ohne eine Miene zu verziehen. Er ist einer von ihnen, da bin ich mir jetzt ganz sicher. Es passt alles zusammen. Er hat mich die ganze Zeit beobachtet und dafür hasse ich ihn. Aber noch mehr hasse ich mich. Mein dummes, schwaches, feiges Ich.
    Eigentlich ist es sinnlos, dass ich überhaupt noch etwas aufschreibe. Was soll ich noch sagen? Ich könnte aufschreiben, wie wütend und frustriert ich bin. Und wie die Angst langsam in mir hochkriecht und alles andere erstickt. Eigentlich sollte ich schreiben: »Ich will nicht sterben.« Ich könnte es auf die Wände kritzeln, damit sie noch ein letztes Problem haben, das sie lösen müssen. Ich will nicht sterben. Ich bin erst siebzehn und habe alles falsch gemacht. Vielleicht habe ich aus meinen Fehlern gelernt, aber das nützt mir jetzt auch nichts mehr. Wenn ich alle Dinge aufzählen würde, die ich noch nie gemacht habe, wäre ich tot, ehe ich damit fertig wäre. Ich hatte noch nie Sex. Ich war noch nie auf einem anderen Kontinent. Ich war noch nie verliebt. Ich habe mich noch nie mutig oder sicher gefühlt. Ich habe noch nie einen Platz gefunden, an den ich gehöre ...
    Das ist sinnlos. Pure Zeitverschwendung. Wie lange kann man ohne Wasser überleben? Wahrscheinlich nur ein paar Tage. Der Arzt weiß das bestimmt. Ich habe keine Uhr. Ich kann nur schätzen, wie lange ich schon hier drin bin. Ich habe ziemlich lange geschrieben, drei Stunden vielleicht. Dann habe ich mich ausgeruht und auf Andrew gewartet. Dann wollte ich mich rausschleichen und mich ein bisschen umsehen. Und da habe ich erst gemerkt, dass die Tür verschlossen ist.
    Im ersten Moment hatte ich nicht mal Angst. Ich dachte, er wollte nur auf Nummer sicher gehen und würde bestimmt bald wiederkommen. Und falls er aus irgendeinem Grund nicht kommen konnte, konnte ich immer noch ausbrechen. Also habe ich mich genauer umgesehen. Ich entdeckte den kalten Beton hinter den Gipskartonplatten und mir fiel auf, wie dick die Tür war. Plötzlich dämmerte mir, dass Andrew diesen Raum ganz gezielt ausgewählt hatte. Dann bekam ich Panik.
    Ich habe aber nicht nur herumgesessen. Ich habe nicht einfach aufgegeben. Mit einem Metallknopf meines Jacketts habe ich versucht, den Beton abzukratzen. Aber wahrscheinlich würde es Jahre dauern, um eine Platte zu lösen. Ich bin zur Decke hochgesprungen und habe schreiend gegen die Tür gehämmert. Ich habe sogar überlegt, ob ich mit dem Kopf gegen die Wand rennen sollte, bis ich ohnmächtig würde. Damit das Warten ein Ende hat. Aber selbst dafür war ich zu feige.
    Dann habe ich mich hingesetzt und angestrengt nachgedacht. Ich habe nach der einfachen Lösung gesucht, die sie in Filmen immer finden. Nach dem raffinierten Ausweg, der so offensichtlich ist, dass ich nicht auf ihn komme. Ich saß da und dachte nach, aber mir fiel einfach nichts ein.
    Jetzt schreibe ich wieder, weil es das Einzige ist, was mir noch bleibt. Es ist immer noch besser, als nicht zu schreiben, weil es mich von meiner Angst ablenkt. Ich bin meine Geschichte und ich werde meine Geschichte am Leben halten. Ich werde nicht schlafen. Ich werde alles aufschreiben. Ich will nicht sterben.

18
    Die nächsten drei Schichten verschlief ich, und als ich aufwachte, fühlte ich mich wie gerädert. Mir taten alle Knochen weh und ich war schrecklich hungrig. Es war schon ziemlich dunkel und Rebecca schärfte uns ein, bloß leise zu sein, während wir einer nach dem anderen zum Bach hinuntergingen und etwas tranken. Dieses Mal widersprach Jonathan ihr nicht. Während ich schlief, hatten die beiden irgendwie aufgehört zu streiten. Wir teilten uns einen Schokoriegel und Rebecca erklärte uns den Plan für die Nacht. Obwohl wir ganz offensichtlich nicht am Tauherenikau River waren, ging sie davon aus, dass er nicht weit sein konnte. Sie vermutete, dass wir vom Kamm abgedriftet und zu einem der kleineren Zuflüsse gelangt waren. Nun mussten wir einfach dem Bachlauf folgen, bis er in den Fluss mündete, und dann so weitermachen wie ursprünglich geplant. Das hieß nach oben, durch das nächste Tal und dann hatten wir es geschafft. Irgendwo hatte ich mal gehört oder gelesen, dass man niemals einem Gebirgsbach folgen sollte, aber ich behielt es für mich.
    Es begann zu regnen und Rebecca wiederholte den

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